Es ist nicht nur eine zentrale Aufgabe der Weiterbildung, sich im eigenen Feld inklusiver aufzustellen. Die Weiterbildung ist auch ein wichtiges Handlungsfeld, um „inklusive“ Qualifikationen experimentell zu entwickeln, mit dem Ziel, sie längerfristig in die Ausbildung zu übertragen.
Entsprechend werden in dem folgenden Beitrag nicht nur Herausforderungen und Fragen zu mehr inklusiven Zugängen in der Weiterbildung diskutiert, sondern zugleich auch mögliche Wege aufgezeichnet, wie Weiterbildung einen Beitrag zur Entwicklung inklusiver Qualifikationen in der Ausbildung sowie mehr „Inklusivität“ in der Berufspraxis leisten kann.
Vorteile der Weiterbildung auf dem Weg nach mehr inklusiven Zugängen im professionellen Arbeitsfeld
Weiterbildung ist ein wesentlicher Pfeiler für Innovation, Erfolg in der beruflichen Praxis und nachhaltige Weiterentwicklung der Berufsfelder. Dies gilt vor allem für akademische Berufsfelder, da die Hochschulen sich dem Anspruch einer praxisorientierten Berufsausbildung nicht verpflichtet sehen. Im Regelfall wird eine Ausbildung einmal absolviert, gefolgt von einer mittlerweile fast 40-jährigen Berufspraxis. Innerhalb schneller gesellschaftlicher Transformationsprozesse sind Weiterbildungen für die berufliche Praxis unabdingbar. Das heißt im Umkehrschluss, wenn sich eine berufliche Praxis schnell verändern soll, kommt dem Feld der Weiterbildung eine zentrale Rolle zu.
Weiterbildungen haben hier vor allem den Vorteil, dass diese wesentlich schneller auf Veränderungsprozesse in Form von neuen Inhalten in der Fortbildung reagieren können, als dies beispielsweise der Hochschulbereich ermöglichen kann. Hochschulen haben aufgrund wesentlich starrerer Strukturen und Akkreditierungsprozesse im Vergleich zu Weiterbildungseinrichtungen weniger Möglichkeiten, flexibel und kurzfristig mit neuen Bildungsangeboten auf Veränderungen, neue Erkenntnisse und Herausforderungen zu reagieren. Nicht selten kann daher beobachtet werden, dass in der Praxis neue Fortbildungsangebote der Weiterbildung langfristig von Ausbildungseinrichtungen übernommen werden; so beispielsweise der Fachbereich Rhythmik, der von der Akademie der Kulturellen Bildung des Bundes und des Landes NRW als Fachbereich in der Qualifizierung ausgebaut und in Folge als Regelstudiengang im Hochschulbereich zunehmend etabliert wurde.
Enger Praxisbezug als Quelle neuer Innovation für mehr „Inklusivität“
Ein weiterer Vorteil liegt in dem viel engeren Praxisbezug der Weiterbildung, denn die Akteurinnen und Akteure sind schon im Feld aktiv. Daher kann die Weiterbildung sich auch stärker mit der Praxis verzahnen. In den Fortbildungsangeboten der Akademie der Kulturellen Bildung ist der sehr hohe Praxisbezug beispielsweise wesentlicher Bestandteil. Dies drückt sich unter anderem in den in die Fortbildung integrierten Projekterprobungsphasen aus, die im Rahmen der Weiterbildung professionell und nachhaltig begleitet werden. Diese Phasen tragen nicht nur dazu bei, dass die oder der Einzelne in der beruflichen Praxis gestärkt wird, sondern auch, dass neue Erfahrungen, Ansätze oder veränderte gesellschaftliche Rahmenbedingungen, die die Fortzubildenden in der Praxis erfahren, reflektiert werden und erneut in die Weiterbildung einfließen. Damit entsteht eine praxisbezogene Grundlage für eine kontinuierliche Aktualisierung von Fortbildungsformaten, die die berufliche Praxis bereichern – und damit auch eine konkrete Weiterentwicklung der Berufsfelder anstoßen.
Die Praxisbezogenheit und die direkte Nähe zum Feld ergeben sich auch durch die oftmals sehr enge Beziehung der Fortbildungseinrichtungen zu den Berufsverbänden. Diese Nähe ist in der Regel sehr wichtig – im Kontext der Anerkennung von Fortbildungsangeboten. Ein weiteres Format, das beispielsweise die Akademie der Kulturellen Bildung praktiziert und praxisrelevant sichert, sind Absolventennetzwerke von Langzeitqualifizierungen wie zum Beispiel die Netzwerke „Spielpädagogik“, „Erzählen“ oder „Literaturpädagogik“, die sich kontinuierlich über aktuelle Entwicklungen und neue Herausforderungen austauschen. Durch Anbindung von Berufsnetzwerken an Weiterbildungseinrichtungen, ist eine hohe Aktualität und Relevanz der Weiterbildung, gemessen an der gesellschaftlichen Praxis, gewährleistet – und damit auch ein guter Erprobungsraum zur Entwicklung von neuen Konzepten und Standards gegeben, die neue gesellschaftliche Herausforderungen inhaltlich aufgreifen wie beispielsweise „Inklusion“. Wenn die kulturellen Praxisfelder in den Künsten und der Kulturellen Bildung inklusiver gestaltet werden sollen, kann dies nur prozesshaft entwickelt werden und hierzu bedarf es eben skizzierter „Flexibilität“ der Weiterbildung.
Strukturelle Anforderungen an eine „inklusive“ Weiterbildung
Welche aktuellen Anforderungen bestehen in der Weiterbildung im Feld der Kultur und Kulturellen Bildung? Zunächst gilt auch hier, wie in anderen Handlungsfeldern der Aus- und Weiterbildung, der Anspruch an strukturelle Rahmenbedingungen.
Vor allem im Kulturbereich existiert eine Vielzahl an infrastrukturellen Barrieren, da die Aus-, Weiterbildungs- und Veranstaltungsstätten vielfach in historischen Gebäuden untergebracht sind. So ist beispielsweise die Akademie der Kulturellen Bildung ein Gebäude aus dem Jahr 1958 in Hanglage.
Um möglichst viele infrastrukturelle Barrieren zu beseitigen, ist es hilfreich, Multiplikatorinnen und Multiplikatoren mit unterschiedlichster Behinderung um konkrete Rückmeldungen zu bestehenden Barrieren zu bitten und diese Schritt für Schritt abzubauen, zum Beispiel mittels automatischer Türöffner, Fahrstühlen, Rampen, Navigationssysteme für Sehbehinderte etc. Dies gilt natürlich nicht nur für die bauliche Struktur, sondern auch für Informationsmaterialien wie eine barrierearme Webseite, Programmhefte in einfacher Sprache oder aber auch dem Einsatz eines Gebärdensprachendolmetschers etc.
Es ist davon auszugehen, dass diese Prüfprozesse nie abgeschlossen sein werden, sondern immer wieder neue Barrieren entdeckt werden können, die es zu beseitigen gilt – im Sinne einer zunehmenden „Inklusivität“ der Weiterbildung.
Inhaltliche Anforderungen an eine inklusive Weiterbildung
Für inklusive Fortbildungsangebote ist es nicht nur wichtig, auf der strukturellen Ebene Barrieren zu beseitigen. Auch in der Gestaltung der Inhalte von Fortbildungen ist es wichtig, diese kontinuierlich auf „Inklusivität“ zu überprüfen. Hier gibt es keine im Vorfeld fertige, anwendbare Methoden, und auch diese Überprüfung kann nie abgeschlossen sein, aufgrund der Individualität der Fortzubildenden.
Dies bedingt ein hohes Maß an Flexibilität vonseiten der Dozentinnen und Dozenten, die künstlerische und praktische Übungen sowie den gemeinsamen Diskurs innerhalb der Fortbildungen so flexibel gestalten müssen, dass alle Fortbildungsteilnehmenden mit unterschiedlichsten Voraussetzungen an diesen teilhaben können.
Hier bedarf es auch der konsequenten Reflexion und Schulung des Vermittlerpersonals einer Weiterbildungseinrichtung, um Lösungswege zu finden, wie zum Beispiel Gehörlose in musikrezeptive Fragestellungen oder Gehbehinderte in tänzerische Darbietungen etc. eingebunden werden können.
Ein wichtiger Schritt zu mehr inhaltlich gestalteten Fortbildungen ist auch die angemessene Beteiligung von Vermittlerinnen und Vermittlern mit Behinderung. Zum einen ist es ermutigend, für eine vielfältige Zielgruppenansprache Vielfalt im Vermittlerpersonal widerzuspiegeln; zum anderen ist die Sensibilität von Menschen mit Behinderung, aufgrund der eigenen biografischen Erfahrung, oftmals höher gegenüber Menschen mit anderen Fähigkeiten sowie die Flexibilität gegeben, neue Lösungsansätze zu finden.
Qualifizieren für inklusive Vermittlungskonzepte
Neben der Ausrichtung der eigenen Fortbildungsinhalte auf eine inklusive Multiplikatorengruppe, sollten inklusive Vermittlungskonzepte für Zielgruppen innerhalb aller Fortbildungsangebote selbstverständlich angemessen reflektiert werden. Alle Multiplikatorinnen und Multiplikatoren mit und ohne Behinderung sollten in der Lage sein, in ihrer Praxis inklusive Bildungsangebote zu ermöglichen. Dies sollte eine „selbstverständliche“ Querschnittsaufgabe sein. Dabei sollte vor allem „die Haltung“ im Vordergrund stehen, da auf die Vielfalt an Herausforderungen keine umfassenden Methodenkoffer an die Hand gegeben werden können. Vielmehr sollte grundsätzlich der Blick der Vermittlerinnen und Vermittler auf unterschiedliche Stärken gelenkt und ihre Flexibilität, diesen Stärken einen angemessenen Raum zu geben, gefördert werden.
Offene Fragen zur Erreichung von inklusiven Zielgruppen für die Fortbildung
Eine zentrale Herausforderung der Weiterbildung liegt in dem Erreichen von Multiplikatorinnen und Multiplikatoren mit Behinderung. Eine Ausschreibung der Kurse, in denen explizit darauf verwiesen wird, dass auch Personen mit Behinderung angesprochen sind, kann indirekt als eine Diskriminierung verstanden werden. Selbstverständlich sollte jede Fortbildung für Menschen mit und ohne Behinderung offen sein. Auf der anderen Seite ist dies in der Praxis vielfach noch nicht gegeben, sodass ein fehlender Hinweis dazu führen kann, dass Menschen mit Behinderung sich nicht angesprochen fühlen. Wie löst man diesen Widerspruch auf?
Möglicherweise sind auch die Kommunikationswege – und nicht die Zugangsbeschreibungen – elementar bei der Ansprache von Multiplikatorinnen und Multiplikatoren mit und ohne Behinderung. Muss ggf. eine Ausschreibung in der Weiterbildung andere Öffentlichkeitskanäle nutzen als bisher? Wie könnten diese aussehen? Auch hier ist es hilfreich, wenn Arbeitshilfen zu diesen Themen erarbeitet werden.
Ähnliches gilt für die Kommunikation für eine gelingende Praxis. Um zu zeigen, dass „Inklusivität“ auch in der Fortbildung innerhalb von professioneller Kulturarbeit gelingen kann, und um Mut zu machen, entsprechende Konzepte in der Fläche zu verfolgen, bedarf es Best-Practice-Beispielen in der Fortbildung. Wie können diese nach außen kommuniziert werden, ohne zugleich zu stigmatisieren und auszugrenzen? Ein Praxisbericht, der betont, wie jede und jeder Einzelne mit spezifischer Beeinträchtigung erfolgreich an Fortbildungen teilnehmen konnten, kann auch diskriminierend wirken. Auch hier bedarf es Arbeitshilfen. Wer kommuniziert in welcher Form?
Wie kann Umsetzung von „Inklusivität“ auf verschiedenen Ebenen gewährleistet werden?
Die Umsetzung von „Inklusivität“ auf eben skizzierten Ebenen ist ein fortwährender, nie endender Prozess und erfordert eine kontinuierliche Reflexion der bestehenden Fortbildungsarbeit, Kommunikation und Infrastruktur. Sie bedarf einer flexiblen und reflexiven Haltung.
Für die strukturelle Umsetzung ist es entscheidend, auch entsprechende finanzielle Mittel von der Politik bereitgestellt zu bekommen, für die inhaltliche Umsetzung sollte hinreichend Zeit zur Reflexion, Dokumentation und für den Erfahrungsaustausch zur Verfügung gestellt werden.
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