Die Homepage der Universität ist häufig der erste Inhalt, der von potenziellen Studierenden und anderen Personen der Öffentlichkeit angeschaut wird. Eine barrierefreie Webseite und das Bereitstellen von barrierefreien Informationen ist der erste Schritt, um die künstlerischen Hochschulen für mehr Menschen zu öffnen. Studierende werden schließlich über die Webseiten rekrutiert (vgl. Gabel et al. 2016).
Der Zugang zu Informationen in verschiedenen Kontexten ist ein grundlegendes Recht von Menschen. Die UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK) fordert dies explizit für Menschen mit Behinderung in mehreren Artikeln (vgl. Behindertenbeauftragte 2017). Zunächst lässt sich Artikel 24 „Das Recht auf Bildung“, also auch Hochschulbildung anführen. In weiteren Artikeln werden die Informationspflicht etc. betont. Es gilt, nach
§ 4 h) für Menschen mit Behinderungen zugängliche Informationen über Mobilitätshilfen, Geräte und unterstützende Technologien, einschließlich neuer Technologien, sowie andere Formen von Hilfe, Unterstützungsdiensten und Einrichtungen zur Verfügung zu.
§ 9 (1) Um Menschen mit Behinderungen eine unabhängige Lebensführung und die volle Teilhabe in allen Lebensbereichen zu ermöglichen, treffen die Vertragsstaaten geeignete Maßnahmen mit dem [….] für Menschen mit Behinderungen den gleichberechtigten Zugang zur physischen Umwelt, zu Transportmitteln, Information und Kommunikation, einschließlich Informations- und Kommunikationstechnologien und -Systemen […].
Es gilt nach
§ 21 […] freie Meinungsäußerung und Meinungsfreiheit, einschließlich der Freiheit, Informationen und Gedankengut sich zu beschaffen, zu empfangen und weiterzugeben, gleichberechtigt mit anderen und durch alle von ihnen gewählten Formen der Kommunikation […]
c) private Rechtsträger, die, einschließlich durch das Internet, Dienste für die Allgemeinheit anbieten, dringend dazu auffordern, Informationen und Dienstleistungen in Formaten zur Verfügung zu stellen, die für Menschen mit Behinderungen zugänglich und nutzbar sind.
Das heißt, die Informationen über Ansprechpersonen, Beratungsdienste und weitere Unterstützungen müssen für Studieninteressierte oder Studierende der künstlerischen Hochschulen u. a. auf den Webseiten zur Verfügung stehen.
Dass es explizite Behindertenbeauftrage o. ä. an Hochschulen geben muss, ist in den meisten Hochschulgesetzen der einzelnen Bundesländer verankert. In diesen Gesetzen ist auch festgelegt, welchen Einfluss diese in Gremien haben und welche Aufgaben und Verpflichtungen ihnen zukommen. In Nordrhein-Westfalen (NRW) sind die Reglungen deutlich ausformuliert und auch im Kunsthochschulen-Gesetz aufgegriffen (vgl. Deutsches Studentenwerk e. V. o. J.). In anderen Bundesländern, z. B. Bremen oder Sachsen, fehlen solche Regelungen im Hochschulgesetz.
Es besteht also durchaus eine Verpflichtung für Hochschulen, Ansprechpersonen zu benennen, Anlaufstellen einzurichten sowie Informationen darüber auf ihren Webseiten vorzuhalten. Allerdings ist dies noch immer nicht flächendeckend der Fall. Bei meinen Recherchen zu der Datenbank musste ich relativ schnell feststellen, dass Informationen teilweise nicht, nicht ausreichend oder nur versteckt vorhanden waren.
Recherche der Ansprechpersonen
Im Rahmen der Vorbereitung auf die 5. Netzwerktagung mit dem Schwerpunkt „Inklusion und künstlerische Hochschulen – Status quo und Zukunftsaufgaben“ wurde eine Datenbank mit Ansprechpersonen oder Einrichtungen, die für die Belange von Menschen mit Beeinträchtigung zuständig sind (z. B. die Behindertenbeauftragten), erstellt. Ursprünglich, mit dem einfachen Ziel, jene zur Tagung einzuladen. Diese auf den ersten Blick relativ einfach zu bewältigende Aufgabe, stellte mich jedoch teilweise vor kleinere und größere Suchaufgaben. Im Folgenden möchte ich meine Erfahrungen mit dieser Recherchearbeit beschreiben und reflektieren, sowie weiterführende Informationen vorstellen. Ausgehend von einer Übersicht über musisch-künstlerische Hochschulen in Deutschland (lost 2020) wurde eine Datenbank mit Ansprechpersonen für Menschen mit Beeinträchtigung der jeweiligen Hochschulen erstellt. Insgesamt wurden so 58 Webseiten von Hochschulen begutachtet.
Erschwerter Zugang zu Informationen
Für die Erstellung der Datenbank mit 58 Ansprechpersonen benötigte ich 11 Stunden und 15 Minuten. Das entspricht im Schnitt knapp 11 Minuten pro Webseite, bis die gewünschten Informationen, sofern vorhanden, gefunden waren. In einer Studie zu Behinderung und den California-State-University-Webseiten untersuchten die Autoren und Autorinnen den Zusammenhang zwischen Inhalten und Navigation der Webseiten und der Offenheit gegenüber einer vielfältigen Studierendenschaft. Dabei erhoben sie auch, wie viele Klicks benötigt werden, um an gewünschte Informationen zu gelangen. Sie kategorisierten diese in „gefunden in weniger als 4 Klicks“, „nicht in einer angemessenen Zeit gefunden – 4 oder mehr Klicks“ oder „nicht gefunden“ (Gabel et al. 2016). Auch Katrina A. Meyer und Jeffrey L. Wilson (vgl. 2010) definieren 1 bis 3 Klicks als angemessen, um einfach an Informationen zu kommen. Bei den durch mich betrachteten Webseiten konnten manche Kontaktdaten nur durch gründliches Recherchieren gefunden werden. Dazu habe ich zum einen verschiedene Suchbegriffe in die Suchmaschinen der Webseiten oder in allgemeine Suchmaschinen eingegeben. Zum anderen habe ich mich einfach lange durch die Seiten klicken müssen. Die Angaben sind teilweise nicht in den allgemeinen Informationen für Studierende bzw. Studieninteressierte zu finden, sondern irgendwo versteckt in den Informationen zu den Hochschulstrukturen, z. B. Übersichten über den Hochschulrat/-senat. Auf den Webseiten der Hochschulen fehlt es oft an klaren Strukturen und eindeutigen Navigationsmenüs. Teilweise sind zunächst große Kunstwerke zu sehen, die die Navigationsmenüs überdecken. Es fehlt an Kontrasten und lesbaren Schriftarten. Das Orientieren auf Webseiten fiel mir, auch ohne Sinnesbeeinträchtigung, auf manchen Seiten schwer.
Bezeichnungen nicht eindeutig
Ein weiteres Problem ist es, dass es eine Vielzahl von Bezeichnungen gibt, die ggf. relevant sein konnten:
- Beauftragte für Studierende mit Behinderung und chronischen Krankheiten
- Schwerbehindertenvertretung
- Beauftragte für Studierende mit Handicap
- Inklusionsbeauftragte für Student_innen mit Beeinträchtigungen
- Behindertenbeauftragter
- Koordinatorin für die Belange von Studierenden mit Behinderungen oder chronischen Krankheiten
- Gleichstellungsbeauftragte
- Vertrauensperson für schwer behinderte Menschen
- Gleichstellungs- und Inklusionsbeauftragte
Auch für die Einrichtungen, die Beratungen anbieten, lassen sich eine große Zahl an möglichen Begrifflichkeiten anführen:
- Beratung barrierefrei Studieren
- Informationen für Studierende mit Behinderung oder chronischen Erkrankungen
- Beratung für Studierende mit Beeinträchtigung
- Steuerungsgruppe Diversity
- Psychologische Beratung
- Zentrale Studienberatung
- Arbeitsstelle gegen Diskriminierung und Gewalt – Expertise und Konfliktberatung
- Studium mit Behinderung und chronischer Erkrankung
- Studienbüro
Kein klares Profil erkennbar
An manchen Hochschulen gibt es klare Anlaufstellen, an anderen nur übergeordnete Angebote zu allgemeinen Belangen, die mit Glück auch zu individuellen Bedürfnissen beraten können. Auch gibt es Personen, die mit der Aufgabe, sich um die Belange von Studierenden mit Beeinträchtigung zu kümmern, noch zu ihren originären Aufgaben hinzubekommen haben – ich vermute, zum Teil nicht ganz freiwillig oder weil „halt jemand benannt werden muss“. Eine Gleichstellungsbeauftragte etwa sollte der Benachteiligung aufgrund des Geschlechtes entgegenwirken (vgl. BMJV 2015), wird aber in manchen Hochschulen als Ansprechpartnerin auch für die Belange der Studierenden mit Beeinträchtigung angegeben.
So oder so: Ist die Ansprechperson und oder die Beratungseinrichtung gefunden, heißt das nicht, dass auch die dazugehörigen Kontaktdaten vorliegen. Entweder ist die E-Mail-Adresse oder Telefonnummer angegeben oder auch nur der entsprechende Name, sodass eine weitere Recherche ansteht.
Fazit
Abschießend lässt sich festhalten, dass es für eine inklusive (Kunst- und Musik-)Hochschule wichtig ist, Anlaufstellen für Menschen mit Beeinträchtigung zu etablieren und die Informationen barrierefrei und sichtbar auf den Webseiten zu verankern. Grundlage dafür ist, zunächst ein Bewusstsein für die Thematik zu entwickeln und einfache Änderungen, wie die Angabe aller Kontaktdaten zu ergänzen und ggf. Alternativen anzubieten (z. B. Kontaktaufnahme per Mail und Telefon ermöglichen). Außerdem könnten einrichtungsunabhängige Personen überprüfen, ob Informationen überhaupt auffindbar sind. Aktion Mensch bietet eine Webseite (siehe https://www.einfach-fuer-alle.de/vorteile-barrierefreie-website) an, die zeigt, welche einzelnen Parameter überprüft werden können. Interessierte erhalten außerdem Tipps zur barrierefreien Gestaltung von Webseiten (vgl. Aktion Mensch 2020).
Es bleibt zu hoffen, dass der Weg zu einer inklusiven Hochschule nicht bereits bei den Recherchen auf der Webseite endet und die Strukturen und der Zugang zu Informationen einfacher für alle werden.
Literatur
- Aktion Mensch (2020): Einfach für Alle. Das Angebot der Aktion Mensch für ein barrierefreies Internet. https://www.einfach-fuer-alle.de/vorteile-barrierefreie-website [Zugriff: 12.02.2020].
- Behindertenbeauftragte (Beauftragte der Bundesregierung für die Belange von Menschen mit Behinderung) (2017): Die UN-Behindertenrechtskonvention –Übereinkommen über die Rechte von Menschen mit Behinderung. https://www.behindertenbeauftragte.de/SharedDocs/Publikationen/UN_Konvention_deutsch.pdf?__blob=publicationFile&v=2 [Zugriff: 12.02.2020].
- BMJV (Bundesministerium der Justiz und Verbraucherschutz) (2015): Gesetz für die Gleichstellung von Frauen und Männern in der Bundesverwaltung und in den Unternehmen und Gerichten des Bundes. BGleiG.
- Deutsches Studentenwerk e. V. (o. J.): Behindertenbeauftragte: Hochschulrechtliche Regelungen der Bundesländer. Hrsg. v. Stefan Grob. https://www.studentenwerke.de/de/content/behindertenbeauftragte-hochschulrechtliche-regelungen-der-bundesl%C3%A4nder [Zugriff: 07.02.2020].
- Gabel, Susan L./ Reid, Denise/ Pearson, Holly/Ruiz, Litzy/Hume-Dawson, Rodney (2016): Disability and Diversity on CSU Websites: A Critical Discourse Study. In: Journal of Diversity in Higher Education 9 (1), S. 64-80. DOI: 10.1037/a0039256 .
- Iost, Oiver (2020): Studis Online. Hochschuldatenban-musisch-künstlerische Hochschulen in Dortmund. Online verfügbar unter https://www.studis-online.de/Hochschulen/Musisch-kuenstlerisch, zuletzt geprüft am 31.01.2020.
- Meyer, Katrina A./Wilson, Jeffery L. (2010): The „Virtual Face“ of Planning: How to Use Higher Education Web Sites to Assess Competitive Advantage. In: Planning for Higher Education 38 (2), S. 11-21.
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