Der Fokus dieser Arbeitsgruppe lag zum einen auf der medialen Darstellung des Phänomens der Behinderung und von Menschen mit Behinderung in den audiovisuellen Medien, und zum anderen auf der Frage nach Zugängen, der Accessibility von audiovisuellen Medien für Menschen mit Sehbeeinträchtigung. Ziel der Arbeitsgruppe war es, entlang dieser beiden Achsen, der medialen Darstellung einerseits und der Accessibility andererseits, das Thema „Inklusion und audiovisuelle Medien“ im Rahmen des Netzwerks Kultur und Inklusion aufzubereiten.
Die Themenbereiche wurden jeweils mittels eines inhaltlichen Inputs vorgestellt und im Anschluss von der Arbeitsgruppe ausgearbeitet. Schwerpunkte hierbei bildeten Fragen nach dem Status quo, und daran anschließend Überlegungen und Strategien für zukünftige inklusionsorientierte Entwicklungen im Feld der audiovisuellen Medien.
In diesem Beitrag der Tagungsdokumentation werden zunächst die beiden inhaltlichen Inputs vorgestellt werden, um in einem weiteren Schritt die Ergebnisse der Arbeitsgruppe zusammenzufassen.
- Petra-Andelka Anders: Mediale Zuschreibungen – über die Rolle von Behinderung im Spielfilm
- Anke Nicolai: Hören, was andere sehen Audiodeskription – Zugang für blinde und sehbeeinträchtigte Menschen zu visuellen Medien
Zusammenfassung der Ergebnisse der Workshop-Arbeitsgruppe
Im Vergleich zu den öffentlich-rechtlichen audiovisuellen Medien gibt es bislang ein verschwindend geringes Angebot an Audiodeskription im privaten Fernsehen. Außerdem geht der Ausbau des Programms in Deutscher Gebärdensprache nur langsam voran. Barrierefreie Angebote im Bereich Video on Demand (VoD) und der Social-Media-Kanäle sind ebenfalls zu wenig ausgebaut.
Öffentliche und private Theater- und Opernhäuser beklagen das fehlende Budget, um ihre Spielpläne adäquat und barrierefrei zu gestalten – dies betrifft sowohl die Live-Audiodeskription wie auch Gebärden-Dolmetsch und Übertitelung. Um eine angemessene Förderung nutzen zu können, sollten Institutionen folglich auf eine Doppelstrategie zurückgreifen können – also eine Kombination aus Kulturfördermitteln und spezifischen, inklusionsbezogenen Fördermitteln.
Zu bedenken ist an dieser
Stelle auch, dass die barrierefreien bzw. barriere-
reduzierten Formate besondere Bedingungen bzw. Kapazitäten in den
Haushalten erfordern, um adäquat genutzt werden zu können. So verfügen
beispielsweise nicht alle Endgeräte über die benötigten technischen Kapazitäten
bzgl. der entsprechenden Datenverarbeitung. Dies lässt den Schluss zu, dass
auch auf dieser Ebene bislang noch die Kundenorientierung fehlt – hier ist eine
Orientierung am Maßstab des Design for
all geboten.
Bislang gibt es bezüglich der Audiodeskription keine fixen Qualitätsstandards. Diese sind genauso anzustreben wie auch die Mitwirkung von Menschen mit Behinderung, beispielsweise in einem Review-Verfahren, als verbindliches Kriterium formuliert werden sollte.
Im Sinne einer Dissemination und Vernetzung von Best-Practice-Beispielen sind Plattformen und Datenbanken entsprechender Projekte zu fördern.
Das übergeordnete Ziel ist die erhöhte und ausdifferenzierte Präsenz von Menschen mit Behinderung in den audiovisuellen Massenmedien bei einer zunehmend partizipativen Gestaltung der Medien selbst durch Expertinnen und Experten mit Behinderungserfahrung.
Diese Entwicklung voranzutreiben und so zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK) beizutragen, ist unter anderem Aufgabe (insbesondere der öffentlich-rechtlichen) Medien der Bundesrepublik.
Real sind jedoch sowohl das Phänomen Behinderung selbst als auch Menschen mit Behinderung in den audiovisuellen Medien deutlich marginalisiert und unterrepräsentiert. Problematisch ist hier auch die mediale Darstellung des Phänomens Behinderung, also die Frage, was wird jeweils über Behinderung transportiert (siehe hierzu ausführlich den Beitrag von Petra-Andelka Anders).
Um sinnvoll und erfolgreich eine höhere Präsenz von Menschen mit Behinderung und dem Phänomen Behinderung selbst umsetzen zu können, gilt es allerdings, einen wechselseitig wirksamen Mechanismus außer Kraft zu setzen: Durch die bereits beschriebene geringe Präsenz von Menschen mit Behinderung in den Medien prägen sich entsprechend Seherfahrungen der Nutzerinnen und Nutzer. Wird auf diese medialen Gewohnheiten Rücksicht genommen (beispielsweise durch die an den Adressatinnen und Adressaten orientierte Programmgestaltung) wird der Modus der geringen Präsenz von Behinderung erneut bestätigt.
Zur Veranschaulichung des ungünstigen Ineinandergreifens der Unterrepräsentanz von Behinderung in den Medien und der Erwartungshaltung der Adressatinnen und Adressaten soll das Schaubild beitragen (s. Abb. 1).
Es scheint folglich geboten, auf diesen Kreislauf einzuwirken, um entsprechend eine Flexibilisierung der Gewohnheiten, Haltungen und Normen bei Programmverantwortlichen wie Rezipientinnen und Rezipienten gleichermaßen zu unterstützen. Hilfreiche Instrumente können beispielsweise Handlungsempfehlungen sein oder eine Auszeichnungspolitik, die insbesondere inklusionssensible Formate und Produktionen sowohl auf der Ebene des Produktionsprozesses als auch der Ebene des medialen Transports des Themas Behinderung berücksichtigt.
Die gleichzeitige Umsetzung inklusiver Standards in künstlerischer, technischer und politischer Dimension erschient hierbei von großer Bedeutung. Bezüglich aller drei Dimensionen ist es vordringliche Aufgabe, entsprechend interessierte Menschen mit Behinderung zu befähigen, auf möglichst unterschiedlichen Ebenen der Medienproduktion mitzuwirken und gleichzeitig eine Flexibilisierung der Konsumgewohnheiten der Adressatinnen und Adressaten zu fördern.
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