Die UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK) fordert im Artikel 24 „Bildung“ den gleichberechtigten Zugang zu allgemeiner Hochschulbildung für Menschen mit Behinderung. Artikel 30 „Teilhabe am kulturellen Leben“ verpflichtet die Vertragsstaaten, geeignete Maßnahmen zu treffen, um Menschen mit Behinderung die Möglichkeit zu geben, ihr kreatives, künstlerisches und intellektuelles Potenzial zu entfalten und für eigene Berufskarrieren und Selbstermächtigung zu nutzen; nicht nur für sich selbst, sondern auch zur Bereicherung der Gesellschaft.
Wir fordern, dass an künstlerischen Hochschulen in Deutschland Inklusion in all ihren verschiedenen Facetten stärker vertreten sein muss und durch entsprechende politische Rahmungen abgesichert wird. Inklusives Handeln und ein in mehrfacher Hinsicht barrierefreier Zugang zum Studium für Menschen mit Beeinträchtigung sollte wie der Nachteilsausgleich zum Studium gesetzlich abgesichert werden und in allen Prüfungsmodalitäten von der Eignungsprüfung bis zu flexiblen Abschlussformen eines Studiums an künstlerischen Hochschulen seinen Niederschlag finden.
Die Hochschulen sind zur Heranbildung einer von Diversität geprägten Künstlerlandschaft in und für die Gesellschaft stärker in die Verantwortung zu nehmen und sollten erkennen, welcher kreative und innovative Mehrwert durch Inklusion entsteht und welche unerhörte neue Kreativität künstlerisch tätige Menschen mit Behinderung in die Hochschulen einbringen können. Dafür ist es notwendig, Veränderungen nach innen durchzusetzen und verschiedene Aufwendungen zu realisieren.
Inklusive Arbeit ist zu einem professionellen Bestandteil in künstlerischen Hochschulen zu entwickeln, da durch diese Orientierung auch neue Facetten eines künstlerischen Exzellenzbegriffs möglich werden. Durch die konsequente Öffnung der künstlerischen Hochschulen für Menschen mit Beeinträchtigung werden für alle Beteiligten neuartige Begegnungspraxen und persönliche Erfahrungsgeschichten möglich.
Kunst lebt vom Zugewinn sich ständig verändernder Sichtweisen auf und in die Gesellschaft hinein, durch kreative Aufnahmen eines Andersseins menschlicher Erfahrungen, durch Reibung unterschiedlicher Sichtweisen der Individuen und durch neuartige Ideen und künstlerische Produktionsprozesse. Inklusion öffnet für die Hochschulen in diesem Sinn neue Türen und nimmt Menschen mit unverwechselbaren Erfahrungen auf, die ein Hochschulleben bereichern.
Notwendige Strategien
Inklusives Handeln an künstlerischen Hochschulen steht auf zwei Säulen:
- Die Schaffung eines gesetzlich geförderten Zugangs für Menschen mit Beeinträchtigung an die Hochschulen zum Studium der Künste (künstlerische Qualifizierung Betroffener).
- Die Präsenz von Inklusionsthemen in Lehre und Forschung, Schaffung von neuartigen Kooperationsprojekten mit inklusiv arbeitenden Praxispartnern sowie Stärkung von Handlungen und Wissenshintergründen bei Lehrenden, Studierenden und Gremienverantwortlichen zum komplexen Bereich Inklusion (Professionalisierung von Inklusion im Hochschulalltag).
Einzelforderungen der Diskutierenden
Das Netzwerk Kultur und Inklusion stellt zur Stärkung und Realisierung von Säule 1 und 2 folgende Einzelforderungen auf:
1. Bereich Strukturen
- Neueinrichtung von Hochschullehrer- und Dozentenstellen mit dem Schwerpunkt Inklusion, mit einem künstlerischen Schwerpunkt
- Einrichtung von Assistenzmodellen und Praxislaboren für die Begleitung Studierender mit Beeinträchtigung
- Unterstützung der Behindertenbeauftragten der Hochschulen durch die Einrichtung von heterogen besetzten Kommissionen zur Inklusion und Barrierefreiheit
- Intensive Nutzung von Nachteilsausgleichen und frühzeitige, auf den Einzelfall zugeschnittene Beratungsgespräche für Studierende mit Beeinträchtigung zu Beginn des Studiums; kontinuierliche Einzelfallgespräche während des Studiums
- Professionalisierungsmaßnahmen von Studienberaterinnen und -beratern und Prüfungsausschussvorsitzenden an den Hochschulen zum Thema Inklusion
- Einführung von Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen zum Thema Inklusion für Lehrende und Studierende
2. Konzepte zur Inklusion in Lehre und Forschung
- In den Studienordnungen verankerte künstlerische Projektseminare zur Inklusion
- Wissenschaftliche Qualifizierungsarbeiten (Bachelor-Arbeiten, Master-Arbeiten, Dissertationen) zu einschlägigen Themen
- Einrichtung integrativ geführter künstlerischer Ensembles an den Hochschulen
- Kooperationsseminare mit erfahrenen Praxispartnern der Inklusion und sozialen Arbeit
- Achtsamkeit zu inklusivem Handeln im Hochschulalltag
3. Abbau von Barrieren in Hochschulen
- Neumodellierung von Eignungsprüfungen im Sinne der stärkeren Öffnung der künstlerischen Hochschulen für Menschen mit Beeinträchtigung
- Abbau von räumlichen und technischen Barrieren
- Einrichtung von Studentenpartnerschaften und Assistenzmodellen zur Bewältigung des Studienalltags
- Studienbegleitende Nachteilsausgleiche nach individueller Festlegung zwischen Studierenden und Studienberatern sowie Prüfungsausschussvorsitzenden, z. B. Ausdifferenzierung von Abschlüssen im Studium
Herunterladen als PDF