Im Rahmen der bundesweiten Inklusionsinitiativen, die in Schleswig-Holstein hinsichtlich der ersten Phase der Lehrerausbildung vom Ministerium für Soziales, Gesundheit, Wissenschaft und Gleichstellung aufgegriffen, gefördert und unterstützt wurden und werden, öffnete sich im Jahr 2014 auch die Musikhochschule Lübeck (MHL) dem Thema Inklusion (Lübecker Nachrichten 2015).
Gründung – Ort, Jahr, Hintergrund/Motivation
Der damals zuständige Leiter des Studiengangs „Musik Vermitteln“, Prof. Dr. Hans Bäßler, veranlasste zunächst die Gründung eines Inklusionsteams mit dem Ziel, geeignete Konzeptionen für die Ausbildung zukünftiger Musiklehrkräfte zu entwickeln (vgl. Pabst-Krueger/Stemberg 2015).
Struktur des Projekts (Einbindung in andere Institutionen – Leitung-/Leitungsgremium/Entscheidungsfindung)
Es handelt sich weniger um ein Projekt als vielmehr um eine Initiative, die über ein Inklusionsteam in enger Abstimmung mit dem Präsidium (Prof. Rico Gubler) als Impuls für eine dauerhafte Implementierung inklusiver Inhalte in die Ausbildungsmodelle gedacht ist. Das schließt einzelne Projekte innerhalb dieser Initiative nicht aus. Das Inklusionsteam setzt sich derzeit zusammen aus:
- Leitung des Studiengangs „Musik Vermitteln“ (intern): Prof. Dr. Jens Knigge;
- Inklusionsbeauftragter (intern): Dr. Michael Pabst-Krueger;
- Erziehungswissenschaftlerin (intern): Prof. Dr. Gaja v. Sychowski;
- Vertreter für „Elementare Musikpädagogik“ (intern): Prof. Marno Schulze;
- Wissenschaftlicher Mitarbeiter (intern): [2014 bis 2016 Daniel Stemberg MEd], befristet: N. N.;
- Studienleiterin 2. Phase (teilweise intern): Studiendirektorin
Sabine Hoene (IQSH); - musik-sonder-/inklusionspädagogischer Berater (extern): Dr. Björn Tischler;
- je nach Thematik weitere interne oder externe Mitglieder;
- Studierendenvertretung: ständig in Kontakt.
Eine wichtige Aufgabe des Inklusionsteams besteht in der inhaltlichen Ausrichtung und Organisation eines jährlich stattfindenden „Frühjahrscampus Inklusion“ („InklusionsCampus“), einer viertägigen semestereinführenden Veranstaltung für alle Studierenden.[1]
Finanzierung
Das Land gab der Hochschule Zuschüsse, die unter anderem für die semestereinführenden „InklusionCampi“ (Organisation, externe Beratung, Vorträge und Workshops) und die Einrichtung einer (befristeten) Wissenschaftlichen Mitarbeiterstelle genutzt wurden. Es sind Mittel des Ministeriums für ein weiteres Jahr bewilligt, außerdem ist die Durchführung entsprechender Lehrveranstaltungen, unter anderem des „InklusionsCampus“, über die Hochschule inzwischen abgesichert. Da inklusionsspezifische Kompetenzen sowohl im Lehrkräftebildungsgesetz gefordert als auch in den Studienordnungen verankert sind, wird die Hochschule die Durchführung entsprechender Veranstaltungen auch weiterhin gewährleisten: Es liegt die Zusage vor, dass ab 2017 die damit verbundenen Kosten aus dem regulären Haushalt der MHL beglichen werden.
Die Verstetigung ist damit in zentralen Bereichen (allerdings noch nicht überall) bereits erreicht.
Zeitlicher Projektverlauf – für die Projektteilnehmerinnen und -teilnehmer: Vollzeit, Teilzeit, phasenweise
Die Initiative ist nicht befristet, sondern langfristig angelegt (siehe oben: „Struktur des Projekts“), wobei das Inklusionsteam anlassbezogen tagt. Die hochschulinternen Beteiligten sind im Rahmen ihrer Dozententätigkeit immer auch direkt oder indirekt mit der Inklusionsinitiative befasst.
Beteiligte Berufsstände
Beteiligt an der Initiative sind neben hochschulinternen Dozentinnen und Dozenten der „Musikpädagogik“ und „Erziehungswissenschaft“ in unterschiedlichem Maße externe, teilweise auch beratende Referenten und Referentinnen aus pädagogischen, sonder- und sozialpädagogischen, medizinischen, psychologischen, musiktherapeutischen, und künstlerischen Arbeitsfeldern, je nach Bedarf mehr praxis- oder wissenschaftsbezogen.
Kooperationen
Es finden Kooperationen mit allgemeinbildenden Schulen und Förderzentren, zum Beispiel im Rahmen von Schulpraktika der Studierenden, statt. Damit verbunden ist auch die Zusammenarbeit der Hochschule mit dem Lehrer(aus)bildungs-Institut für Qualitätsentwicklung an Schulen Schleswig-Holstein, vertreten durch die Studienleiterin und Landesfachberaterin Musik (Sabine Hoene), die gleichzeitig Praktika der Hochschulstudierenden betreut.
Diverse unterschiedlich intensiv ausgeprägte Kontakte bestehen zwischen einzelnen Musikhochschulen. Ein Informationsaustausch findet mit der Universität Flensburg statt, die Lehrkräfte für den Musikunterricht in der Primar- und Sekundarstufe I ausbildet. Ein wichtiger Kooperationspartner und Vermittler ist der Bundesverband Musikunterricht e. V. (BMU), sowohl auf Landes- als auch auf Bundesebene. Das Junge Forum ist eine Gruppierung im BMU, die speziellen Bedürfnissen und Interessen von Studierenden und Referendarinnen und Referendaren Raum gibt, gerade auch unter inklusionsorientierter Thematik.[2] Entsprechend hieß deren Motto auf dem BMU-Bundeskongress im September 2016 in Koblenz: „Gemeinsam verschieden sein.“
Inhalte der künstlerisch(en)-pädagogischen Arbeit
Eine Aufgabe des Inklusionsteams besteht darin, Anbindungen inklusionsrelevanter Inhalte in „Ausbildungsmodulen“ herzustellen, wobei folgende zehn inklusionsorientierte Kompetenzbereiche erarbeitet wurden:
- Übergeordnete Grundlagen: 1. Rechtlich, 2. Theoretisch, 3. Institutionell;
- Sonder-/Inklusionspädagogik: 4. Förderkonzepte, 5. Förderschwerpunkte, 6. Entwicklungsförderschwerpunkte;
- Umsetzung: 7. Musikalische Handlungsfelder, 8. Diagnoseinstrumente/Heterogenität, 9. inklusive Lernsituationen, 10. Binnendifferenzierende Unterrichtsmethoden.
Diese Bereiche lassen sich in einem Bezugsmodul Inklusion zusammenfassen. Dabei handelt es sich aber nicht um ein eigenständiges Modul, sondern um eine thematische Übersicht zu bereits vorhandenen Modulen (Bachelor und Master), in welchen inklusionsspezifische Inhalte zu unterschiedlichen Schwerpunkten vermittelt werden.
Die „InklusionsCampi“ befassen sich mit unterschiedlichen Schwerpunkten: Zum einen geht es um die Einführung in einzelne Förderschwerpunkte aus institutioneller pädagogischer, psychologischer, medizinischer Sicht, zum anderen um übergeordnete Themen, wie zum Beispiel „Inklusion unter dem Aspekt von Beziehungsqualitäten“. Die Ausrichtung kann einmal mehr allgemein oder musikpädagogisch ausgerichtet sein.
Vermittlungsmethoden
Die Vermittlungsmethoden richten sich nach Art der Ausbildungsveranstaltungen in den einzelnen entsprechend ausgeschriebenen Modulen.
In den „InklusionsCampi“ wechseln sich Vorträge, Präsentationen, Impulsreferate, (Podiums-)Diskussionen und Workshops ab, um der thematischen Vielfalt auf möglichst vielen Ebenen gerecht zu werden.
Ebenen der Sichtbarkeit im Kulturleben
Die Studierenden nutzen ihre schulpraktischen Tätigkeiten teilweise auch für inklusionsorientierte Projekte oder Vorhaben mit inner- und außerschulischen Präsentationen. Aus einzelnen Modulen, die sich mit der Inklusion beschäftigen, gehen weitere Möglichkeiten hervor, die Thematik nach außen zu tragen.
Die „InklusionsCampi“, teilweise verbunden mit künstlerischen Darbietungen, sind immer auch (bis auf wenige Ausnahmen) öffentlich zugänglich und als Lehrerfortbildungsveranstaltung anerkannt.
Ausblick
Die bisherigen Initiativen haben einen breiten Anklang gefunden, sodass in der oben beschriebenen Richtung weitergearbeitet werden soll. Darauf aufbauend gilt es, eine Zusammenarbeit auch mit Dozenten und Dozentinnen herzustellen, die eher weniger mit der Inklusionsthematik beschäftigt waren oder sind, wie zum Beispiel im Instrumentalunterricht und in der Musikwissenschaft.
Wünsche
Neben dem Wunsch einer weiterhin gesicherten Finanzierung der Inklusionsinitiative und darüber hinaus auch für einzelne damit verbundene Projekte, bleibt zu hoffen, dass sich Musikpädagogik, Wissenschaft und künstlerischer Bereich im Sinne der Inklusion öffnen, mit ihren Anliegen und Impulsen notwendige Entwicklungen voranbringen und ideologisierte, utopische Fehlentwicklungen vermeiden helfen (vgl. auch Tischler 2015).
In diesem Zusammenhang erwarte ich im Sinne einer Mindestforderung, dass zukünftige Musiklehrkräfte für Fragen der Inklusion – differenziert und kritisch – sensibilisiert werden, aber nicht dem Missverständnis verfallen, dass sich damit eine (Musik-)Sonderpädagogik mit entsprechend fundierter Ausbildung erübrigt. Ohne sonderpädagogische Expertise ist eine dem Lehrkräftebildungsgesetz entsprechende Lehrerbildung nicht leistbar – auch nicht nach einer Übergangszeit im Anschluss an die Startphase.
Literatur
- Lübecker Nachrichten (2015): Für neue Töne im Unterricht. An der Musikhochschule befassen sich angehende Lehrer mit Inklusion, 10.04.2015, S. 14 [www.ln-online.de/Lokales/Luebeck/Fuer-neue-Toene-im-Unterricht, zuletzt aufgerufen am: 07.10.2016].
- Pabst-Krueger, Michael/Stemberg, Daniel (2015): Inklusion – Eine Herausforderung (auch) für die Musiklehrerbildung. In: Musik & Bildung, 3 (15), S. 6.
- Tischler, Björn (2015): Lehramt Musik. Was für Musikstudierende brauchen wir? In: Musikunterricht aktuell, 1, S. 22–23.
[1] Siehe www.presseportal.de/pm/70855/2985432/erster-fruehjahrs-campus-inklusion-an-der-musikhochschule-luebeck.
[2] Siehe www.bmu-musik.de/junges-forum.html.
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