Die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien (BKM) fördert seit Anfang des Jahres 2015 ein neues Netzwerk: das Netzwerk Kultur und Inklusion.
Die Akademie der Kulturellen Bildung des Bundes und des Landes NRW hat die Trägerschaft in Kooperation mit dem Verein InTakt e. V. übernommen. Die Akademie der Kulturellen Bildung als das zentrale Institut für kulturelle Kinder- und Jugendbildung der Bundesrepublik Deutschland und des Landes Nordrhein-Westfalen hat Inklusion in ihrem Leitbild fest verankert. Seit Gründung ist ihr die gleichberechtigte Teilhabe aller Menschen an Bildungsprozessen ein Anliegen. Der Verein InTakt e. V. fördert die gleichberechtigte Teilhabe von Menschen mit Behinderung an Kunst und Kultur und unterstützt spezifische und beispielhafte Projekte. Die vorliegende Dokumentation des ersten Expertennetzwerktreffens 2015 in der Akademie der Kulturellen Bildung ist ein Ergebnis der Zusammenarbeit von Akademie und Verein. Im Folgenden werden die Hintergründe dargestellt, die zur Entstehung des Netzwerks geführt haben und Ziele und Arbeitsinhalte des Netzwerks sowie der Tagung erläutert.
Ausgangssituation in der Kulturlandschaft
Nicht erst seit der Ratifizierung der UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK) 2009 gibt es zahlreiche künstlerische Aktivitäten mit und von Menschen mit Behinderung in allen künstlerischen Disziplinen. Deutschland hat das „Übereinkommen der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen“ am 30. März 2007 unterzeichnet und am 24. Februar 2009 ratifiziert. Dennoch ist trotz zahlreicher Einzelinitiativen und auch fünf Jahre nach Ratifizierung der UN-BRK eine gleichberechtigte Teilhabe von Menschen mit Behinderung in der ganzen Bandbreite des Kulturlebens noch nicht möglich. Der Fokus kultureller Teilhabe liegt bis heute eher auf der – zweifellos notwendigen – Beseitigung äußerer Barrieren und Fragen der Zugänglichkeit zu kulturellen Angeboten als auf der Gestaltung des Kulturlebens durch Menschen mit Behinderung selbst. Das Fehlen künstlerischer Ausbildungs- und Umsetzungsmöglichkeiten für begabte Menschen mit Behinderung verhindert deren angemessene Präsenz im Kulturleben – vor und auf der Bühne.
Notwendigkeit einer Bundesperspektive
Die Bundesländer spielen bisher bei der Umsetzung der UN-BRK die zentrale Rolle. So kann beobachtet werden, dass inklusiv gedachte und gestaltete Projekte und Lösungsansätze für eine gleichberechtigte Teilhabe von Menschen mit Behinderung im Kulturbereich bisher überwiegend lokal oder auf Landesebene gestaltet und diskutiert werden. Auf Bundesebene fehlen Ansprechpartnerinnen und -partner sowie Akteure, die sich für Kultur und Inklusion einsetzen. An vielen Orten der Bundesrepublik werden ähnliche Gespräche zur beruflichen Inklusion oder zur künstlerischen Qualität in inklusiven Settings geführt – und nicht immer weiß man voneinander. Nur ein bundesweit ausgelegtes Dialog- und Fachforum ermöglicht einen Austausch mit dem Ziel gesellschafts- und kulturpolitischer Wirksamkeit der bislang getrennt geführten Diskussionen.
Ziele und Aufgabenstellung des Netzwerks
Das Netzwerk möchte aus diesen Beobachtungen heraus zum einen die Bundesperspektive stärken, indem es die bislang getrennt erfolgten Diskussionen zusammenführt und so Lösungen für die in der künstlerischen und beruflichen Praxis entstandenen Problematiken entwickelt. Zum anderen möchte es als Dialogforum Expertinnen und Experten aus Kultur und Inklusion zu wichtigen Fragestellungen zusammenbringen. Dabei konzentriert sich das Netzwerk auf die Belange von Menschen mit Behinderung, wohlwissend, dass das Konzept der Inklusion in seinen Dimensionen viel breiter anzusetzen ist (vgl. hierzu den Beitrag von Keuchel in Kapitel 1.2). In den allgemeinen Inklusionsdiskussionen kommt das Thema Kultur oft zu kurz, wie dies auch der ehemalige Behindertenbeauftragte des Landes Nordrhein-Westfalen (NRW) und jetziger Leiter der Geschäftsstelle der Stiftung Wohlfahrtspflege NRW, Norbert Killewald, auf dem ersten Expertennetzwerktreffen betonte: „Kultur steht immer noch viel zu oft hinten an. Man muss sich intensiv und stetig in Erinnerung bringen, damit das Thema auf die Agenda kommt.“ Umgekehrt stehen im Kulturdiskurs oftmals andere Fragestellungen, wie Finanzierung, Urheberrechte etc., im Vordergrund. Der gemeinsame Austausch von bundesweit agierenden Akteuren und Expertinnen und Experten aus dem Feld der Kultur und der Inklusion hilft, beide Felder für die gleichberechtigte künstlerische und kulturelle Teilhabe von Menschen mit Behinderung zu sensibilisieren und so gemeinsam tragbare Rahmenbedingungen für mehr kulturelle und künstlerische Teilhabe zu entwickeln.
Das Netzwerk ist ein Zusammenschluss von Expertinnen und Experten aus Theorie und Praxis, Wissenschaft und Forschung und Kunstschaffenden mit und ohne Behinderung, denen es ein besonderes Anliegen ist, Erfahrungen auszutauschen und neue Gestaltungsmöglichkeiten für ein tatsächlich inklusives Kulturleben auszuloten.
Jährlich ist ein Netzwerktreffen zu einem spezifischen Thema vorgesehen, das im Vorfeld von einem Gremium aus Vertreterinnen und Vertretern aus verschiedenen künstlerischen und wissenschaftlichen Disziplinen festgelegt wird. „Kulturproduktion als Arbeit und Beruf von Menschen mit Behinderung“ war das Thema der ersten Netzwerktagung vom 1. bis 2. Oktober 2015, zu der 50 Teilnehmende aus den Bereichen Kultur, Kulturpolitik, aus Wissenschaft und künstlerischer Praxis an die Akademie der Kulturellen Bildung kamen. Die Diskussionen fokussierten drei zentrale Themen: Ein Workshop behandelte die Möglichkeiten der Weiterentwicklung des Modells Werkstatt für behinderte Menschen (WfbM) im Kontext Arbeitsmarkt Kultur; ein zweiter Themen und Problematiken der Freiberuflichkeit von Menschen mit Behinderung; und der dritte diskutierte Barrieren, aber auch Erfolgsmodelle der Inklusion von Menschen mit Behinderung in Kulturinstitutionen.
Zur Struktur
Zu den in Zukunft jährlich stattfindenden Netzwerktreffen werden Kunstschaffende mit Behinderung, Vertreterinnen und Vertreter von Ausbildungsinstitutionen, von relevanten Verbände sowie Politikerinnen und Politiker aus den Bereichen Kultur und Inklusion eingeladen. So waren z. B. beim ersten Netzwerktreffen 2015 zum Thema „Arbeitsmarkt“ auch Vertreterinnen und Vertreter der Künstlersozialkasse, der ZAV-Künstlervermittlung oder der Gewerkschaft ver.di. anwesend.
Um den Stand des aktuellen Fachdiskurses, aber auch notwendig daraus resultierende Empfehlungen für die Verbesserung der künstlerischen und kulturellen Teilhabe festzuhalten, werden die Ergebnisse der Expertennetzwerktreffen dokumentiert, publiziert und auch auf der Homepage des Netzwerks zugänglich gemacht (siehe kultur-und-inklusion.net).
Erste Erfolge, Inhalte und Ziele in der Zukunft
Die vielen ungelösten Fragen, insbesondere zur beruflichen Situation von künstlerisch begabten Menschen mit Behinderung, aber auch Fragen der Darstellung von Menschen mit Behinderung in den Medien und der Wahrnehmung des Beitrags, den Menschen mit Behinderung zum gesellschaftlichen und kulturellen Leben leisten, werden kontinuierlich im Fokus des Netzwerks stehen und in weiteren Netzwerktreffen vertieft werden. So wird das nächste Netzwerktreffen den Bereich der „Aus- und Weiterbildung an (künstlerischen) Hochschulen für die Arbeit mit Menschen mit Behinderung“ sowie die „Ausbildung von Menschen mit Behinderung in künstlerischen Disziplinen“ thematisieren und kritisch unter dem Aspekt des Abbaus von Barrieren beleuchten.
Erklärtes Ziel des Netzwerks ist es, auftauchende Probleme der Umsetzung kultureller Teilhabe von Menschen mit Behinderung aus Individuallösungen herauszuführen, übergeordnete Lösungsstrukturen zu diskutieren und im Sinne von Politikberatung wirksam zu werden.
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