Seit Mitte 2015 bearbeitet der Deutsche Kulturrat ein vom Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördertes Vorhaben zur Aus- und Weiterbildung im Kultur- und Medienbereich. Dabei wird der gesamte Sektor in den Blick genommen, d.h. sowohl die Ausbildung im Rahmen des Dualen Ausbildungssystems, die Hochschulausbildung, die Weiterbildung und die Berufsvorbereitung für Künstlerinnen und Künstler beispielsweise an Musikschulen. // Olaf Zimmermann
Im Jahr 2016 wurde sich besonders der Ausbildung an den Musik-, Kunst- und Tanzhochschulen gewidmet. Fragestellungen waren unter anderem der Übergang von der Hochschule in den Beruf, die Ausbildung an privaten Einrichtungen und die Berufschancen der dort Ausgebildeten sowie die Studienförderung.
Im Zusammenhang dieser Beratungen wurde auch die Frage aufgeworfen, welche Rolle Inklusion für die Kunst-, Musik- und Tanzhochschulen spielt und inwiefern sie sich Bewerberinnen und Bewerbern mit Einschränkungen öffnen. Als erster Befund kann festgehalten werden, dass Inklusion, wenn die Fragestellung überhaupt angesprochen wird, vor allem in der Lehrerinnen- und Lehrerausbildung thematisiert wird. Hier geht es darum, wie der Unterricht in inklusiven Klassen gestaltet werden kann. Da in verschiedenen Bundesländern Förderschulen eingeschränkt und der gemeinsame Unterricht von Kindern und Jugendlichen mit und ohne Einschränkungen favorisiert werden, gilt es die angehenden Lehrerinnen und Lehrer hierauf vorzubereiten.
Dass Menschen mit Einschränkungen selbst eine künstlerische Laufbahn einschlagen, spielt bislang an den Musik-, Kunst- und Tanzhochschulen eine untergeordnete Rolle.
Ursächlich hierfür sind unter anderem die Aufnahmeprüfungen. Sie sind sehr starr an körperlichen Normen ausgerichtet. So konnte beispielsweise der weltberühmte Sänger Thomas Quasthoff in den 1970er Jahren an der Musikhochschule Hannover nicht studieren, weil er aufgrund seiner Contergan-Schädigung das Zweitinstrument Klavier nicht spielen kann. Er erhielt seine Ausbildung bei der privaten Gesangspädagogin Charlotte Lehmann. In Großbritannien können sich Rollstuhltänzer für ein Studium bewerben, in Deutschland wurde am Hochschulzentrum Tanz in Berlin eine Bewerberin mit einer Ausnahmegenehmigung zugelassen. Das Erlangen dieser Ausnahmegenehmigung verlangte aber sowohl von der Bewerberin als auch der Hochschulleitung sehr viel Durchhaltevermögen beim Überwinden der bürokratischen Hürden.
Ein zweites Hindernis sind die räumlichen Bedingungen. Viele Musik-, Tanz- und Kunsthochschulen sind in schönen alten Gebäuden untergebracht, die ihrerseits aber barrierestark sind. Vielfach sind diese Gebäude denkmalgeschützt, sodass erhebliche Investitionen und Rücksprachen mit der Denkmalpflege erforderlich wären, um sie barriereärmer zu machen.
Ein drittes sind die tradierten Bilder von Künstlerinnen und Künstlern. Insbesondere in den darstellenden Künsten und in der Musik besteht vielfach ein Schönheitsbegriff, der es anders aussehenden Menschen schwermacht, Fuß zu fassen.
Weiter müssten bereits vorbereitende Wettbewerbe wie beispielsweise „Jugend musiziert“ inklusiver aufgestellt werden, um Kindern und Jugendlichen mit einer besonderen künstlerischen Begabung den Weg zu kunstspezifischen Fördermaßnahmen sowie ersten Bühnenerfolgen zu eröffnen. Hierfür wäre es erforderlich, dass in der Kulturellen Bildung der Blick geweitet. Inklusion muss mehr sein als Beschäftigung mit und für Behinderte. Inklusion muss auch die besonderen Begabungen von Menschen mit Einschränkungen in den Blick nehmen. Dazu gehören auch Begabungen im künstlerischen Bereich. Hier ist an der Aus- und Weiterbildung von Pädagoginnen und Pädagogen im schulischen und außerschulischen Kontext anzusetzen. Dazu zählt auch, dass Dozentinnen und Dozenten mit Behinderung positive „Role Models“ für Studierende sein können. Wenn allerdings Bewerberinnen und Bewerber mit Einschränkungen an den einschlägigen Hochschulen nicht aufgenommen werden, können sie das Studium nicht absolvieren und weder eine künstlerische Laufbahn einschlagen noch selbst lehren. Hier schließt sich der Kreis an Ausschlussmechanismen.
Die erste kursorische Diskussion zu der Frage Inklusion an künstlerischen Hochschulen im Rahmen des erwähnten Projektes des Deutschen Kulturrates zeigt, dass noch sehr viel Diskussionsbedarf besteht und die Debatte allenfalls am Anfang steht und teilweise erst noch begonnen werden muss. Wir sollten die Inklusionsdebatte als Steilvorlage nehmen, um schnell Lösungen zu finden, damit mehr Menschen mit Einschränkungen eine künstlerische Laufbahn einschlagen können.
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