EUCREA, Verband Kunst und Behinderung e. V., ist seit über 30 Jahren der Dachverband zur Vertretung der Interessen von Künstlerinnen und Künstlern mit Beeinträchtigung im deutschsprachigen Raum. Bei den fast 100 Mitgliedern aus Deutschland, Österreich und der Schweiz handelt es sich um Künstlerinnen und Künstler mit und ohne Behinderung, Interessenvertretungen, Kunstateliers, Stiftungen u. v. m.
ARTplus – ein Strukturprogramm zum Thema Kunst und Inklusion in der Modellregion Hamburg 2015 bis 2017
Jutta Schubert
EUCREA, Verband Kunst und Behinderung e. V., ist seit über 30 Jahren der Dachverband zur Vertretung der Interessen von Künstlerinnen und Künstlern mit Beeinträchtigung im deutschsprachigen Raum. Bei den fast 100 Mitgliedern aus Deutschland, Österreich und der Schweiz handelt es sich um Künstlerinnen und Künstler mit und ohne Behinderung, Interessenvertretungen, Kunstateliers, Stiftungen u. v. m. EUCREA veranstaltet zum einem zahlreiche Kulturprojekte und ist an neuen künstlerischen inklusiven Formaten interessiert. Zum anderen setzt sich der Verein für mehr Diversität im Kulturbetrieb ein. Dazu wurden verschiedene Strukturprogramme entwickelt, wie z. B. ARTplus in Hamburg (2015 bis 2017). Darüber hinaus verwirklicht der Verein zurzeit in drei Bundesländern Kooperationen zwischen Kulturinstitutionen und Künstlergruppen mit Behinderung in allen Sparten der Kunst. Geplant ist des Weiteren das große Strukturprogramm ARTplus in fünf Bundesländern zur Öffnung der künstlerischen Hochschulen und Ausbildungsinstitutionen für Künstlerinnen und Künstler mit Behinderung.
Von 2015 bis 2017 führte EUCREA einen Modellversuch in der Region Hamburg durch, in dem Zugänge von Künstlerinnen und Künstlern mit Behinderung zu Kultur- und Ausbildungsinstitutionen in einem Zeitraum von zwei Jahren untersucht und Möglichkeiten der Teilhabe erprobt werden sollten.
Ziel war es, Angebote der künstlerischen und beruflichen Bildung für Menschen mit Beeinträchtigung aufzuzeigen, Berufschancen innerhalb einer Werkstatt für behinderte Menschen (WfbM) zu verbessern und außerhalb zu ermöglichen, mit dem Ziel, Diversität im Kunst- und Kulturbetrieb zu steigern und die Teilhabe von Künstlern und Künstlerinnen mit Beeinträchtigung als eine Normalität in diesem Bereich zu betrachten. Anhand von Einzelfällen sollte sichtbar gemacht werden, was in den künstlerischen Bereichen Musik, Theater und bildende Kunst in der Modellregion möglich ist.
Hintergrund
Seit Jahrzehnten findet die künstlerische Arbeit von Menschen mit Behinderung vornehmlich in WfbM statt. Dort wurden zahlreiche Kunstateliers und Theaterwerkstätten gegründet und mit dem Modell „Künstlerarbeitsplätze“ ein bedeutender Meilenstein für die künstlerischen Entwicklung in diesem Feld gelegt. Nachteilig wirkte sich dieses Modell jedoch durch die Isolation in den Werkstätten für die Künstlerinnen und Künstler aus. Es existieren häufig wenig Kontakte weder zu Künstlerinnen und Künstlern ohne Behinderung noch zu Kulturinstitutionen. Künstlerische Bildung findet auch heute hauptsächlich im Bereich der WfbM statt und hängt von der jeweiligen Atelier- oder Theaterleitung ab. So gibt es für die Kunst von Menschen mit Behinderung wenig Verbindung zu der sogenannten etablierten Kultur. In Einzelfällen hängt es oft von persönlichen Kontakten der jeweiligen künstlerischen Leitung ohne Behinderung in den Werkstätten zur kulturellen Außenwelt ab. Hinzu kommen häufig die Arbeiten an eigenen Projekten und Produktionen, sodass kaum Zeit für die Gestaltung von Außenkontakten bleibt.
Auf der Seite der Kulturinstitutionen existieren häufig wenig Kenntnisse und Informationen über die Arbeit von Künstlerinnen und Künstlern mit Beeinträchtigung sowie wenig Berührungspunkte oder persönliche Kontakte. Wie eine Einbindung der Künstler und Künstlerinnen mit Beeinträchtigung in den künstlerischen Betrieb aussehen könnte, war für einige Vertreterinnen und Vertreter von Kulturinstitutionen zu Beginn des ARTplus-Programms in der Modellregion Hamburg häufig nicht vorstellbar. Als wichtige Bedenken wurden bei den Kulturinstitutionen Zeitknappheit und die Befürchtung eines zusätzlich entstehenden Arbeitsaufwands angeführt.
Es existierten also zwei Bereiche, die wenig Berührungspunkte hatten, und Unkenntnis darüber, was möglich wäre.
Die Strategie
Durch die Verbreitung vielfältiger Informationen an alle beteiligten Adressatinnen und Adressaten (Gespräche mit Behörden, WfbM, Künstlergruppen, Kultureinrichtungen und künstlerische Ausbildungsinstitutionen) sollte das Kennenlernen der jeweiligen künstlerischen Arbeitsfelder erzielt werden. In einem intensiven Dialog wurden die Ansprechpartnerinnen und Ansprechpartner zusammengeführt und mit der Entwicklung und Durchführung individueller Maßnahmen ein größtmögliches Maß an gegenseitigem Kennenlernen geschaffen. Am Ende stand die Entwicklung von maßgeschneiderten Angeboten für die einzelnen Künstlerindividuen.
In Hamburg wurden insgesamt acht Kultur- und Ausbildungsinstitutionen ausgewählt, die sich in Gesprächen bereiterklärt hatten, für einen festgelegten Zeitraum in dem Modellversuch zu kooperieren. Dazu gehörten u. a. das Deutsche Schauspielhaus und das Junge SchauSpielHaus, die Künstlergemeinschaft Gängeviertel, die HipHop Academy, das Hamburger Konservatorium, die Theaterakademie der Hochschule für Musik und Theater sowie die Hochschule für Kunst im Sozialen in Ottersberg.
Deutsches Schauspielhaus und Junges Schauspielhaus - Regiehospitanzen beim Theaterensemble Meine Damen und Herren / alsterarbeit
Nach Gesprächen mit dem Deutschen Schauspielhaus und der inklusiven Theatergruppe Meine Damen und Herren erwies sich die Durchführung von Regiehospitanzen als richtiges Modell. Bei Meine Damen und Herrenhatten einzelne Schauspielerinnen und Schauspieler mit einer geistigen Beeinträchtigung begonnen, eigene Stücke zu entwickeln. Dennis Seidel, langjähriges Mitglied bei der Theatergruppe hospitierte mehrmals die Woche beim Familienstück „Tausend und eine Nacht“ am Deutschen Schauspielhaus. Sein Fokus lag vor allem auf der Beobachtung der Arbeit des Regisseurs Markus Bothe und handwerklichen Fragen, wie z. B.: Wie kann ich eine Probe gut strukturieren oder ein Textbuch führen, wie formuliere ich produktiv Kritik gegenüber den Schauspielerinnen und Schauspielern? Seine Beobachtungen hielt Dennis Seidel während und nach der Probe in einem Probetagebuch fest, das mit Skizzen und Eindrücken gefüllt wurde. Dieses stellte er öffentlich vor und gab seine Erfahrungen an seine Kolleginnen und Kollegen weiter. Dennis Seidel erhielt bei seiner zweiten Hospitation sogar eine Rolle in einem Stück, welches im Schauspielhaus gezeigt wurde. Friederike Jaglitz – ebenfalls vom Theaterensemble Meine Damen und Herren– hospitierte mehrfach beim Jungen Schauspielhaus.
Hochschule für Musik und Theater Hamburg / Theaterakademie - Hospitanzen bei Lehrveranstaltungen und Workshop am Theater Klabauter / Das Rauhe Haus
Mit der Theaterakademie wurden Hospitanzen bei verschiedenen Lehrangeboten vereinbart, an denen sowohl Ensemblemitglieder vom Theater Klabauterals auch von Meine Damen und Herren teilnahmen. So interessierten sich die Schauspieler und Schauspielerinnen für das Thema Kostümbild und Kunstgeschichte und nahmen an den Lehrveranstaltungen teil.
Ein gemeinsamer Workshop wurde als Folge und als sinnvolles Format zur Kontaktaufnahme zwischen Studierenden und dem inklusiven Theaterensemble vereinbart. Die Theaterakademie nahm dieses Angebot in ihr Vorlesungsverzeichnis auf, sodass es von den Studierenden als reguläres Seminar besucht werden konnte.
Im Januar 2017 fand dieser zweitägige Workshop zum Thema „kollektive Stückentwicklung“ statt, an der sich sieben Schauspielerinnen und Schauspieler des Theater Klabauterund sechs Studierende des Bereichs Dramaturgie und Regie beteiligten.
Hamburger Konservatorium - Entwicklung und Durchführung eines Qualifizierungsangebots für Musikerinnen und Musiker mit Behinderung beim Künstlerkollektiv barner 16 / alsterarbeit
Ab Oktober 2016 nahmen sechs Musikerinnen und Musiker des Künstlernetzwerks barner 16 zwei Semester lang an einer berufsbegleitenden Qualifizierung am Hamburger Konservatorium teil. Im ersten Semester erarbeitete die Gruppe Grundlagen in Musiktheorie, Stimmbildung und Rhythmik. Im zweiten Semester wurde das Programm um die Teilnahme an regulären Seminaren aus dem Studienangebot des Konservatoriums erweitert. Die Fortbildung fand ihren Abschluss im Juni 2017 mit einem gemeinsamen Auftritt von Studierenden des Konservatoriums und Musikerinnen und Musikern von barner 16 bei der „Jazz Night“ in der Kulturkirche Altona. Das Hamburger Konservatorium und barner 16 haben ihre Kooperation im Rahmen des sogenannten Berufsbildungsbereichs, der grundlegenden Qualifizierung von Nachwuchsmusikerinnen und -musikern von barner 16 fortgesetzt.
HipHop Academy - Casting-Workshops mit anschließender Teilnahme am Ausbildungsangebot beim Künstlerkollektiv barner 16 / alsterarbeit
Zunächst fand zum gegenseitigen Kennenlernen ein Kick-off-Workshop zum Thema Beatbox in den Räumen von barner 16 statt. So konnten alle Musikerinnen und Musiker am Workshop von barner 16 unkompliziert den Beatbox-Trainer der HipHop Academy sowie Inhalte und Methoden kennenlernen und ein Interesse an der Thematik entwickeln. Nur ein Musiker entschied sich, an der Maßnahme weiterhin teilzunehmen. Nach seiner Anmeldung bei der HipHop Academy konnte er „Level 1“ überspringen und sofort in das „Advanced-Level 2“ für Fortgeschrittene einsteigen. Seit Januar 2017 besuchte er einmal wöchentlich am frühen Abend den regulären Beatbox-Kurs an der HipHop Academy in Hamburg-Billstedt, an dem außer ihm noch drei weitere Jugendliche teilnahmen. Einmal im Monat fand die sogenannte Konferenz statt, bei der alle Teilnehmenden der HipHop Academy zusammenkommen und sich gegenseitig die Arbeitsergebnisse des vergangenen Monats präsentieren.
Hochschule für Künste im Sozialen, Ottersberg - Kooperation mit barner 16 und der Künstlergruppe Die Schlumper
Michael Dörner
Die Hochschule für Künste im Sozialen (HKS), Ottersberg – zwischen Bremen und Hamburg „im Grünen“ gelegen – gehört zu den renommiertesten europäischen Hochschulen, die praxisnah in den Künsten ausbildet. Als private und staatlich anerkannte Hochschule bietet sie rund 300 Studierenden einen Studienplatz in den vier Bachelorstudiengängen:
- Soziale Arbeit (B. A.)
- Kunst im Sozialen. Kunsttherapie (B. A.)
- Tanz und Theater im Sozialen. Tanz- und Theaterpädagogik (B. A.)
- eie Bildende Kunst (B. F. A.)
und den beiden Masterstudiengängen:
- Kunst und Theater im Sozialen (M. A./M. F. A.)
- Artful Leadership (M. A.)
Mit ihren interdisziplinär und künstlerisch wissenschaftlich ausgerichteten Studienprogrammen agiert die Hochschule an der Schnittstelle von Kunst, sozialer Praxis und gesellschaftlicher Verantwortung. Die Studierenden treffen in Ottersberg auf kompetente und praxiserfahrene Lehrende sowie auf eine ruhige und kreative Umgebung. Ein eigener Atelierplatz und Schauspielstudios stehen während der gesamten Studienzeit zur Verfügung.
Aus dem Leitbild der HKS:
„Die Hochschule für Künste im Sozialen, Ottersberg ist ein Ort der umfassenden künstlerischen und künstlerisch-angewandten Bildung und Ausbildung. Sie sieht sich als Motor für soziale Innovationen. Innovativ ist ihrem Verständnis nach der Zusammenhang von individueller Entwicklung und einer reflektierten Einbettung künstlerischer Prozesse in den humanen Fortgang unserer vorwiegend wirtschaftlich und technisch geprägten Gesellschaft. Den Künsten wird hierbei ein großes Potenzial zugesprochen, individuelle und soziale Dimensionen übergreifend wahrnehmen und zusammenführen zu können.
Diesen Anspruch verwirklicht die Hochschule im gemeinsamen durchlässigen Lernen und Forschen. Studierende und Lehrende agieren in gegenseitigem Respekt. Zum eigenständigen Denken und Handeln braucht es offene und interaktive Lernräume. Mit der Aufnahme ihres Studiums bringen die Studierenden vielfältige und individuelle Kompetenzen und Haltungen ein, die die Inhalte, Arbeits- und Vermittlungsweisen des Hochschulbetriebs impulsieren. Daher erscheint die Idee des Sozialen bereits in den Anfängen als eine ebenso flexible wie ausgerichtete Orientierungsgröße für die künstlerische und reflektierende Arbeit auf dem Campus.
Entwicklung und Exzellenz in der evidenzbasierten und in der künstlerischen Forschung gehören zum Selbstverständnis der HKS Ottersberg. Sie bewegt sich nachhaltig an der Schnittstelle von Kunst, Gesundheit und Gesellschaft. Die Lehrenden der HKS Ottersberg verbinden ihre eigenen künstlerisch- und wissenschaftlich-fachlichen Prägungen mit den immer wieder neu aufgeworfenen Forschungsfragen und Positionen in ihren Arbeitsgebieten. Sie bringen diese Auseinandersetzungen auf eine Weise in die Hochschule ein, dass forschendes Lernen entlang der unterschiedlich formulierten Erkenntnisinteressen möglich wird.
In der künstlerisch-pädagogischen sowie -therapeutischen Ausbildung und den sich anschließenden Berufsfeldern liegt eine besondere Verantwortung. Selbst-Bildung und berufliche Bildung verfolgen das Ziel, fördernd und aktivierend, unterstützend und heilend zu wirken. Diese Arbeit mit Menschen orientiert sich an ethischen Richtlinien, an deren Definition und Fortschreibung die Hochschule in ihrem Netzwerk von regionalen und internationalen Partnern aus der Wissenschaft und aus der Praxis intensiv beteiligt ist.
Teilhabe ist ein zentraler Begriff im engeren und weiteren Verständnis von Gesundheitsförderung und Prävention. Künstlerisches Wirken in sozialen Zusammenhängen, als der programmatische Kern der Ausbildung an der HKS Ottersberg, zielt auf partizipatorische Prozesse, sowohl im Hochschulbetrieb als auch in der Gesellschaft. Diese sollen anregend sein und konkret erfahrbar werden. Sie fördern Kompetenzen und stoßen Identifikationsprozesse an. Partizipation ist zu verstehen als Teil einer Ästhetik des Lernens und einer Vision von der gelingenden Gesellschaft.
Die Hochschule für Künste im Sozialen, Ottersberg setzt auf Vielfalt, Chancengleichheit und Geschlechtergerechtigkeit, auf offenen Dialog und kritischen Diskurs. Sie betont in ihrer inneren Dynamik genauso wie mit ihrer gesellschaftlichen Ausrichtung das Ansinnen, in neue Felder vorzustoßen und ihre Forschung voranzutreiben. Fest verankert in der heutigen europäischen Hochschullandschaft, erneuert sie sich beständig im Bewusstsein ihrer Geschichte.“
Die Dauer des Bachelor-Studiums (B. A/B. F. A) beträgt vier Jahre. Der Master (M. A./M. F. A.) ist ein Jahr Vollzeit oder zwei Jahre berufsbegleitend.
In den Studienbereichen der bildenden und angewandten Künste führt das Programm unsere Studierenden in die praktischen und theoretischen Grundlagen der bildenden Kunst ein, darunter Zeichnen, Malen, Grafikdruck, Skulptur, Installation, Fotografie, digitale Medien, Kunst im öffentlichen Raum, Performance u. v. m. Im ersten Jahr haben wir zwei studiengangsübergreifende Grundklassen: das erste Semester in Malerei und Zeichnung und das zweite Semester in Bildhauerei.
Durch die praktischen Erfahrungen im Atelier entwickeln die Studierenden ihr eigenes kreatives, künstlerisches Konzept und setzen objektbezogene, performative oder mediale Kunstwerke mit ihrem individuellen kreativen Ansatz um.
Die Lehrkräfte betreuen und unterstützen die Studierenden während des gesamten Studiums. Sie nehmen an studiengangsübergreifenden Projekten (Studium Fundamentale und Studium Generale, Seminare und Vorträge wie Kunsttheorie, Philosophie, Ästhetik, Kulturmanagement und Soziologie) teil. Neben Einzel- und Gruppendiskussionen über die Arbeit der Studierenden gibt es Exkursionen, berufspraktische Seminare sowie die Möglichkeit, Kunstprojekte innerhalb und außerhalb der Hochschule durchzuführen.
In der letzten Phase des Studiums setzen sie ein Abschlussprojekt um, was sie öffentlich präsentieren. Sie müssen einen Katalog über ihre Arbeiten und/oder eine schriftliche Bachelorarbeit erstellen.
Alle Studienprogramme verlaufen nach strukturell ähnlichen Verlaufsplänen, sodass viele interdisziplinäre Studienanteile für eine hohe Transparenz und gute Kollegialität sorgen. Das unterstützt vor allem auch, dass Studierende bereits im Studium interdisziplinäre Forschungsideen und -vorhaben gemeinsam entwickeln und motiviert verfolgen.
Während des ARTplus-Programms von 2015 bis 2017 nahmen insgesamt fünf Studierende im Gasthörerstatus an der Lehre im Studiengang Freie Bildende Kunst teil. Nach einem ersten gemeinsamen Gespräch mit Mappendurchsicht wurden die Studierenden im ersten Semester von einer Praktikantin begleitet. Das begründet sich dadurch, dass der Weg zur Hochschule aus Hamburg nur über eine lange Anfahrt und einen Fuß- bzw. Radweg möglich ist. In den folgenden Semestern war dies jedoch nicht mehr nötig, da die Studierenden ihre anfängliche Unsicherheit mit Routine und Erfahrung ausgleichen konnten.
Das Studium der Freien Bildenden Kunst eignet sich aus meiner Sicht und vor dem Hintergrund meiner Erfahrungen hervorragend für Menschen mit Beeinträchtigung, da die Struktur eines Klassenverbunds und die damit einhergehende Vertrautheit eine gute Lernsituation darstellen.
Um einer Überforderung des Studiums vorzubeugen, wurden zunächst nur die ganztägigen Theoriepraxisseminare in der Klasse als verpflichtende Teilnahme empfohlen. Parallel dazu konnten alle frei wählen, welche Seminare sie im wissenschaftlichen und theoretischen Studienanteil und welche praktischen Anteile wie Aktzeichnen, Fotografie, Grafik etc. sie absolvieren wollen.
Nach Beendigung dieses Programms wollte ein Studierender sein Studium fortsetzen. Nach einem Semester Pause konnte er die Studienfortführung, finanziert durch sein persönliches Budget, realisieren. Mittlerweile studiert er im siebten Semester im Status des Gasthörers.
In Hamburg betreibt die HKS einen hochschuleigenen Ausstellungsraum level one im angesagten Hamburger Galerieviertel der Fleetinsel. Dort können Studierende Praxiserfahrungen im Ausstellungsbetrieb in der Öffentlichkeit machen. Dieses interne Berufspraktikum sorgt neben der Möglichkeit, auch selbst auszustellen, dafür, ein Schaufenster für die künstlerische Arbeit der Studierenden unserer Hochschule in Hamburg zu sein.
Auch zwei der Gasthörer aus dem ARTplus-Programm bekamen bisher die Möglichkeit, dort ihre Werke auszustellen. Wie wichtig eine solche Plattform auf Augenhöhe ist, muss nicht extra betont werden.
Die immer noch fortdauernde Zusammenarbeit mit Menschen mit Beeinträchtigung in der HKS Ottersberg zeigt, dass noch weit darüber hinaus mehr Menschen die Möglichkeit zum Studieren gegeben werden muss. Auch in den anderen Studiengängen ist dies sinnvoll und absolut zu befürworten.