Der in Köln ansässige und bundesweit agierende Verein Blinde und Kunst e. V.[1] beginnt seine Aktivitäten mit Veranstaltungen im Dunkeln. Seit 1993 richtet er Ausstellungen, Konzerte und Lesungen in völlig abgedunkelten Räumen aus. Intention dieser Veranstaltungskonzeption ist es, zumeist nichtblinden Besucherinnen und Besuchern die lebensweltliche Orientierung blinder Menschen in Raum, Zeit und Sozialität zu veranschaulichen.
Blinde Guides agieren hier auf prinzipiell gleicher Augenhöhe, indem ihre benachteiligte soziale Position in der normalen Gesellschaftskonstellation in der Dunkelheit in eine Position des Wissensvorsprungs transponiert ist. Seit 2010 hat der Verein das Spektrum seiner Angebote auf Kulturveranstaltungen in üblichen Settings hin ausgeweitet. Die Ausstellungen „Blinde Flecken“ (Dortmund und Köln 2010 und 2011) und „Art Blind“ (Köln 2013) finden in hellen Räumen statt. Das künstlerische Gesamtkonzept „Sexistenz“ (Köln 2014) erweitert zudem die Thematik von Blindheit auf Behinderung.
Im Zentrum dieser Darstellung steht das Projekt „Pilot Inklusion“, das von 2015 bis 2017 stattfindet. Grundlage der Ausbildung, Qualifizierung und Professionalisierung für Menschen mit Behinderung in künstlerischen Berufen ist ein breit zugängliches Bildungsangebot. Qualifizierung in Akademien, Hochschulen oder Weiterbildungsinstitutionen muss auf ein zugrunde liegendes gesellschaftlich verankertes Bildungsangebot aufbauen. Eine wichtige Institution in diesem Kontext ist das Museum.
Blinde und Kunst e. V. arbeitet in dem Projekt „Pilot Inklusion – Entwicklung modularer Vermittlungskonzepte für inklusive Bildung in Museen“ vor allem mit der Bundeskunsthalle Bonn und drei weiteren Museen zusammen. Dies sind das Museum für Kunst und Gewerbe (MKG) in Hamburg, das Augustinermuseum als Teil der städtischen Museen Freiburg und die Weimarer Klassikstiftung, die mehrere Museen vereinigt. Dazu ist der Bundesverband Museumspädagogik Teil der Kooperation. Das Projekt wird gefördert von der Aktion Mensch, der Kämpgen Stiftung und der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien.
Es werden für drei Ausstellungen inklusive Module für Menschen mit verschiedener Behinderung entwickelt. Modular meint in diesem Zusammenhang, dass die Lösungen von ihrer Form her auf andere Ausstellungen an anderen Orten übertragbar sein sollen.
Bundesweite, museumsübergreifende Koordination
Im Rahmen der museumsübergreifenden, bundesweiten Projektkoordination finden sechs ein- bis zweitägige Treffen mit mehreren Workshops statt. Je eines in den vier beteiligten Museen, eines im Hygienemuseum Dresden und eines im LVR-Museum in Münster. Ziel dieser Treffen ist der Austausch der Teilnehmerinnen und Teilnehmer über Maßnahmen zur Inklusion in den jeweiligen Häusern.
Im Dezember 2017 findet eine Abschlusstagung in der Bonner Bundeskunsthalle mit Vorträgen und kleinen Ausstellungen der modularen Ergebnisse statt.
In einer multimedialen Publikation werden materiale Ergebnisse der einzelnen Module nachhaltig gesichert und verbreitet. Online wird dies zudem schnell zugänglich sein.
Vernetzung des Projekts mit der Inklusionslandschaft
Darüber hinaus sind weitere gesellschaftliche Akteurinnen und Akteure einbezogen. Dies sind die sogenannten Fokusgruppen. In ihnen befinden sich Expertinnen und Experten für die jeweiligen relevanten Gruppen von Menschen mit Behinderung:
Die erste dieser Fokusgruppen ist die „Fokusgruppe Sehen“, an der blinde und Menschen mit Sehbehinderung teilnehmen. Neben Mitgliedern des Vereins Blinde und Kunst e. V. sind hier das Berufsförderungswerk Düren, die Blindenschule Düren, der Kölner Blinden- und Sehbehindertenverein sowie der Bonner Blinden- und Sehbehindertenverein durch einige Mitglieder vertreten. Mehrere Treffen, sowohl in der Bundeskunsthalle als auch in den Räumen des Blinden- und Sehbehindertenvereins Köln, gehören dazu. Aufgabe dieser regelmäßigen Treffen ist der Austausch zwecks Verstehen der jeweiligen Perspektiven, Bedürfnisse und Wünsche sowie der Beratung in konkreten Fragen.
Dies beinhaltet einen Besuch eines Tanztheaterstücks von Pina Bausch in Wuppertal, dazu viele Besuche in der Bonner Bundeskunsthalle sowie Teilnahme an den dort angebotenen Tanzworkshops.
Die zweite „Fokusgruppe Verstehen“ spricht Menschen mit Lernschwierigkeiten an. Hier ist Kooperationspartner des Projekts das KUNSTHAUS KAT18 in Köln. Mehrere Treffen, sowohl in der Bundeskunsthalle als auch in den Räumen des KUNSTHAUS KAT18, gehören dazu.
Die dritte „Fokusgruppe Hören“ bringt taube und schwerhörige Menschen mit dem Museum in Kontakt. Hier hat die Bundeskunsthalle über die gesamte Projektdauer Qualifizierungsworkshops für die Zielgruppe zu Museumsführungsmitarbeiterinnen und -mitarbeitern durchgeführt. Hier werden Expertinnen und Experten aus der tauben/gehörlosen bzw. schwerhörigen Gemeinschaft zu Museumsführungsmitarbeiterinnen und -mitarbeitern weitergebildet. Diese können dann etwa Gebärdensprachführungen für ihre eigene Klientel, aber auch für ein allgemeines Publikum anbieten.
Mit diesen Zielgruppen soll partizipativ ein verbessertes Angebot in Museen entwickelt werden. Dies reicht von der Einbeziehung direkt mit ihnen entwickelter Ausstellungsexponate in der für alle zugänglichen Ausstellung bis hin zu einem erweiterten Rahmenprogramm.
Ausstellungsexponate können dabei bereits vorhandene Exponate sekundär zugänglich machen, wie etwa Gemälde durch Audiodeskription oder taktile Transponate vorhandener Gemälde (siehe unsere Module zur Ausstellung „Japans Liebe zum Impressionismus“) oder neue Exponate kreieren, die für alle Besucherinnen und Besucher einen zusätzlichen Reiz entfalten (siehe unsere Module zur Ausstellung „Wetterbericht“).
Das Rahmenprogramm kann entweder innerhalb der Museumsveranstaltungen selbst stattfinden (siehe etwa die Tanzworkshops in der Ausstellung „Pina Bausch und das Tanztheater“[2]), oder die Grenzen des Museums hin zu den gesellschaftlichen Akteurinnen und Akteuren überschreiten (siehe etwa Theaterbesuche, werkerläuternde Workshops im KUNSTHAUS KAT18[3] sowie das Nachtanzen der „Nelkenreihe“[4] durch Blinde im Rahmen der Ausstellung „Pina Bausch und das Tanztheater“).
Die drei Ausstellungen
Die erste Ausstellung ist „Japans Liebe zum Impressionismus. Von Monet bis Renoir“, die vom 8. Oktober 2015 bis 21. Februar 2016 stattfindet.
Die zweite ist die Ausstellung „Pina Bausch und das Tanztheater“, die vom 4. März bis 24. Juli 2016 dauert.
Die dritte ist die interdisziplinäre Ausstellung „Wetterbericht – Über Wetterkultur und Klimawissenschaft“, die vom 7. Oktober 2017 bis zum 4. März 2018 gezeigt wird.
Um zwischen der zweiten und dritten Ausstellung in den Fokusgruppen den anschaulichen Kontakt zum Museum zu halten, werden Führungen durch einige andere Ausstellungen durchgeführt (etwa „Parkomanie“ zu „Fürst Pückler“ und „Touchdown21“).
- Die Ausstellung „Japans Liebe zum Impressionismus“ ist als vorwiegende Gemälde-Ausstellung vor allem für blindes und sehbehindertes Publikum eine Herausforderung.
a) Es werden vier Hörstationen entwickelt: eine im Eingangsbereich, drei als Sitzbänke im Verlauf der Ausstellung. Sie umfassen Gedichte auf Japanisch und Deutsch, Musik aus Japan und dem europäischen Impressionismus, die Tonaufnahme einer Live-Führung mit der Ausstellungskuratorin, Audiodeskriptionen von Gemälden und Hintergrundinformationen zur Zeit des Impressionismus. So wird mit Musik, Klang und Wort das visuelle Hauptgeschehen der Ausstellung zugänglich gemacht. Sitzbänke können zudem auch von älteren und einigen mobilitätseingeschränkten Menschen genutzt werden.
b) Zwei je sechsseitige Tastschirme werden entwickelt, welche einzelne, wichtige Motive (Seerosen von Monet, Heuhaufen von van Gogh) des Impressionismus taktil zugänglich machen. Es wird mit Ölfarbe und anderen Originalmaterialien wie Federn, Holz und Wachs gearbeitet. So können Elemente des Visuellen mit der Hand erlebt werden.
c) Es werden in dieser Ausstellung etwa 20 ausführliche Führungen für Besucherinnen und Besucher mit Behinderung unter dem Titel „Arttalk inklusiv“ offeriert. Dieses Angebot wird in seiner Qualität von Besucherinnen und Besuchern positiv bewertet. Eine Besucherin nennt es „Luxusführung“, da hier viel Zeit für sehr individualisierte Bildungsangebote zur Verfügung steht. - Für die Ausstellung „Pina Bausch und das Tanztheater“ werden Angebote für das Rahmenprogramm und die Vermittlungsebene offeriert. Hier sind noch weitere, sozusagen indirekte Kooperationspartner ins Spiel gekommen: die Pina-Bausch-Foundation und arte sowie das ZDF, welche die Online-Plattform zur „Nelkenreihe“ betreuen.
a) Es gibt in Zusammenarbeit mit dem KUNSTHAUS KAT18 in der „Fokusgruppe Verstehen“ einen Besuch einer Vorstellung des Tanztheater Wuppertal in ihrer Heimatstadt, mehrere Museumsbesuche und Workshops mit Tänzerinnen und Tänzern des Tanztheater Wuppertal und den Künstlerinnen und Künstlern dieses Kunsthauses in der Bonner Bundeskunsthalle, ausführliche Studien über Pina Bauschs Werk innerhalb der Ausstellung und einen mehrtägigen, nichtöffentlichen Workshop im KUNSTHAUS KAT18 in Köln. Die Beschäftigung mit den assoziativen Fragen des Werks von Pina Bausch steht hier im Mittelpunkt, da diese für die KAT18-Künstlerinnen und -Künstler besonders geeignet ist. Dies wird mit den direkten, auf körperliche Weise anschaulichen Begegnungen zwischen Tänzerinnen und Tänzern aus dem Ensemble und Künstlerinnen und Künstlern aus dem Kunsthaus unterstützt. Die gewonnenen Erfahrungen werden durch die KAT18-Künstlerinnen und -Künstler spartenübergreifend in anderen Medien (Zeichnung, Malerei, Video) in der Kreierung eigener Kunstwerke umgesetzt.
Hierdurch kann die inklusive Bildungsarbeit des Museums noch auf das Vor- und Nach-dem-Museum erweitert werden. Dadurch kann das Angebot des Museums zum einen sowohl an individuelle als auch an spezifische gruppengebundene Bedürfnisse und Wünsche angepasst werden. Zum anderen werden die Teilnehmenden in die Lage versetzt, künstlerisch auf das Museumsangebot zu antworten, was ihrer Auseinandersetzung mit dem jeweiligen Thema zusätzliche Tiefe verschafft und sie aus dem bloßen Rezipientenstatus in Richtung eigener Kunstproduktion befreit. Als Höhepunkt dieses Angebots wird ab 27. Juli 2016 sechs Wochen lang im KUNSTHAUS KAT18 eine Werkschau der aus dieser Zusammenarbeit entstandenen Kunstwerke gezeigt. Zum Abschluss des Projekts werden diese in einem aufwendig gestalteten Katalog der Öffentlichkeit zugänglich gemacht.
b) Für blindes und sehbehindertes Publikum bietet Blinde und Kunst e. V. zunächst eine Aufführung des Tanztheater Wuppertal an. Innerhalb der Bundeskunsthalle entwickelt und offeriert Blinde und Kunst e. V. ein Gesamtpaket, das sich als der „rundum gelungene Museumstag“ beschreiben lässt: Eine Kombination aus drei unterschiedlichen Vermittlungsansätzen für blinde und sehbehinderte Besucherinnen und Besucher in einem einheitlichen Angebot. In einem vier- bis fünfstündigen Besuch erlebten die Teilnehmenden eine beschreibende Führung, ein sogenanntes Warm-up mit einem Tänzer des Pina-Bausch-Ensembles und einen besonderen Tanz-Workshop für blinde und sehbehinderte Besucherinnen und Besucher. Die ersten beiden Bestandteile, also beschreibende Führung und Warm-up finden im allgemeinen Ausstellungskontext statt, der Workshop ist speziell für das besondere Publikum gestaltet und wird in einem eigenen Raum außerhalb der Ausstellung durchgeführt. Auch nehmen hier sehende Partnerinnen und Partner teil. So ist dieses Gesamtangebot einerseits inklusiv, da es im allgemeinen Ausstellungsraum angesiedelt ist, andererseits ist es aber auch auf die speziellen Wünsche blinder und sehbehinderter Besucherinnen und Besucher zugeschnitten. Es hat sich als positiv erwiesen, dieses Angebot noch mit einem entspannenden Aufenthalt in der Museumsgastronomie zu verbinden.
c) Als weiteres Angebot für blindes und sehbehindertes Publikum wird ein ursprünglich nur als Video angebotenes Tutorial audiodeskribiert: ein Video zum Nachtanzen für alle sehenden Interessierten, die „Nelkenreihe“, eine kurze Choreografie-Sequenz, die von einer beliebigen Anzahl von Tänzerinnen und Tänzern nachgetanzt werden kann, ist auf einer arte-Online-Plattform zu sehen. Das Video wird für Blinde und Sehbehinderte audiodeskriptiv zugänglich gemacht und auf inklusiv dieselbe arte-Plattform gestellt. In diesem werden zusätzlich zu den „normalen“ Erklärungen und Erläuterungen noch audiodeskriptive Beschreibungen von Gesten, Mimiken und Bewegungen gegeben. In einem mehrstufigen Produktionsprozess wird das Tutorial von einer Tänzerin ausführlich audiodeskriptiv beschrieben, von dem Akustik-Produzenten aufgezeichnet und mit dem Video im Studio synchronisiert. Hier wurde vom Projekt kreatives Neuland betreten. Später haben dann einige blinde und sehbehinderte Tanzinteressierte die „Nelkenreihe“ nachgetanzt und als Video ebenfalls auf die arte-Plattform hochgeladen. Dieses Format gibt Blindenvereinen in ganz Deutschland die Chance, die „Nelkenreihe“ selbst einzustudieren und ebenso ein Video zu produzieren, das sie dann in Eigenregie auf die arte-Plattform hochladen können.[5]
d) Als weiteres Angebot wird eine kurze, sonifizierte Tanzsequenz produziert: Um Tanz innovativ für blinde und sehbehinderte Menschen in seiner ganzen sinnlichen Macht über Beschreibungen hinaus zugänglich zu machen, muss die raumumgreifende Wesensart des Tanzes mehr als verbalisiert werden. Richtung und Volumen in Klang, Ton und Geräusch sollen hinzukommen. Unter Zuhilfenahme klangemissiven Materials technischer oder naturhafter Herkunft wird die klangliche Durchdringung des Raums erprobt. Die Musik beschreibt Bewegungen, Gesten und Mimiken durch ihre Bewegung im tonalen Raum. Ein aufwärtsführender Lauf eines Saxophons zum Beispiel zeigt die Aufwärtsbewegung eines Arms an. Hierzu entwickelt eine Tänzerin eine Choreografie zum Thema „Wetter“. Ein Komponist vertont diese Choreografie und ein Jazz-Quintett spielt sie ein. In mehreren Rückkoppelungsschleifen werden Komposition und Choreografie miteinander harmonisiert und zum Schluss im Studio unter Hinzufügung räumlicher und soundmäßiger Effekte endabgemischt. Dazu wird eine umfangreiche Legende in Interviewform mit den Künstlerinnen und Künstlern produziert. Auch dieses Modul ist komplettes Neuland für die Museumslandschaft.
e) Dieses Modul stellt eine Brücke zwischen der Ausstellung „Pina Bausch und das Tanztheater“ (knüpft formal an die Ausdrucksform Tanz an) und der letzten Ausstellung im Gesamtprojekt „Pilot Inklusion“ – „Wetterbericht“ dar (inhaltliche und thematische Ausgestaltung).
f) Im Rahmen der Ausstellung „Pina Bausch und das Tanztheater“ entwickelt die Bundeskunsthalle das interkulturelle und inklusive Tanzprojekt „Ich bin ICH, Du bist DU, wir TANZEN!“. Schülerinnen zwischen 12 und 17 Jahren mit unterschiedlichen kulturellen Hintergründen und zum Teil mit Behinderung erarbeiten mit einem Choreografen des Tanztheater Wuppertal über drei Monate hinweg ihr eigenes Tanztheaterstück. Die jungen Frauen bringen dieses in der Bundeskunsthalle zur Premiere und filmen alles – vom Beginn bis zum Ende. Der Film ist bewegend und zeigt, wie sich Tanz, Choreografie und künstlerische Ästhetik verbinden und die kulturelle Verschiedenheit außer Acht lassen.[6] - Durch die Ausstellung „Wetterbericht – Über Wetterkultur und Klimawissenschaft“ führt ein Inklusionspfad wie ein roter Faden durch die gesamte Ausstellung hindurch. Er präsentiert Exponate von und für Menschen mit Behinderung für alle Museumsbesucherinnen und -besucher gleichermaßen. Hier werden keine nichtinklusiven Exponate nachträglich durch Aufbereitung für bestimmte Gruppen zugänglich gemacht, sondern sie sind als originäre zusätzliche Exponate an alle Museumsbesucherinnen und -besucher adressiert. Der Pfad thematisiert Wetterphänomene und deren Erleben: morgendliches Erwachen, Nebel, Wolken, Luft, Hitze, Wasser, Wind, Sturm, Regen, Gewitter, Eis, Dämmerung und Nacht.
Zu den Exponaten gehören unter anderem ein Video mit einem Gebärdensprachgedicht von David Urbanczyk über Sturm, eine Wolkeninstallation des sehbehinderten Künstlers Michael Gerdsmann von dem Hamburger Atelier Die Schlumper, ein Text des blinden Autors John M. Hull zum Thema „Regen“ sowie mehrere tastbare Exponate, darunter eine auslaufende Welle der blinden Bildhauerin Karla Faßbender.
Inklusive Bildung mit besonderen Gruppen für alle
- Das Projekt ist von Beginn an auf Wissenstransfer hin ausgerichtet, daher seine bundesweite Vernetzung mit der Museumslandschaft.
- Seine materialen Lösungen sind so ausgelegt, dass sie von anderen Museen auf eigene Ausstellungs- und Bildungsangebote übertragbar sind.
- Dies wird durch die Online- bzw. Katalogpublikation unterstützt.
- Wesentlich ist, dass die Bildungsangebote in der Zusammenarbeit mit den anvisierten Zielgruppen entwickelt werden. Dies verbessert zum einen die Angemessenheit der entwickelten Lösungen und erhöht zum anderen deren Wissenstransfer innerhalb der entsprechenden Communitys.
- Ein weiteres Moment ist, dass die gefundenen Lösungen für alle Besucherinnen und Besucher der entsprechenden Ausstellungen wahrnehmbar sind. So hat etwa eine ungeheuer große Zahl an Besucherinnen und Besuchern die erste Ausstellung aufgrund der Popularität des Themas „Impressionismus“ besucht (124 964 Besucherinnen und Besucher). Die in der Ausstellung direkt implementierten Module waren daher für extrem viele Besucherinnen und Besucher sichtbar (hör- und tastbar) und zugänglich, was nachdrücklich die Notwendigkeit und Sinnigkeit der inklusiven Maßnahmen und des Inklusionsgedankens auch im Museum vielen Menschen deutlich machte.
- Negativ schlägt das exklusive Erbe von Museen zu Buche, denn erst allmählich kommen Menschen mit Behinderung in die Museen. Anscheinend ist es noch so, dass es für blinde und behinderte Menschen eine mentale Hürde darstellt, ein Museum zu betreten. Die verbesserten Angebote müssen sich erst herumsprechen. Als Lehre aus diesem Umstand wurde bei der zweiten Ausstellung ganz direkt an die Zielgruppe über noch mehr einzelne Vereine, Kontaktpersonen mit konkret zugeschnittenen Angeboten adressiert. So nahmen an den Angeboten zur Ausstellung „Pina Bausch und das Tanztheater“ insgesamt etwa 150 Besucherinnen und Besucher mit einer Seheinschränkung teil.
- Zudem wird das Angebot so verstetigt, dass in der Phase zwischen der zweiten und dritten Ausstellung der Kontakt des Museums zur Zielgruppe durch kleine Maßnahmen – wie beschreibende Führungen – ohne besondere modulare Angebote aufrechterhalten wird.
- Auch ist zu konstatieren, dass Vereine der Selbsthilfe und Museen erhebliche Unterschiede in Organisationsform und Kommunikationsstil aufweisen, was trotz größten Engagements beider Seiten immer wieder zu Missverständnissen und Erklärungsbedarf führt. Ein im doppelten Sinne spannender Prozess mit zumeist fruchtbaren Resultaten und gelegentlich furchtbaren Begleiterscheinungen – letzteres vor allem im Nervenkostüm der Mitarbeitenden! Am Ende des Projekts wird dazu eine Selbstevaluation vorgelegt.
- Alle Angebote übergreifend sollte immer daran gedacht werden, dass ein Museumsbesuch für die Besucherinnen und Besucher vor allem Spaß an der Bildung bedeuten muss. Der „gelungene Tag“ im Museum ist hier das Ziel. Spricht eine Ausstellung verschiedene Sinne und zudem den Intellekt der Besucherinnen und Besucher auf vielfältige Weise an, wird dazu noch das Erlebnis mit wohlbehagenfördernden Bestandteilen wie etwa einem Mittagessen oder Kaffee-Trinken angereichert, so kann auch eine nicht komplett barrierefreie Ausstellung inklusiv sein. Hier wird dann die Willkommenskultur eines Museums zu einer wichtigen Kraft des Fortschritts für Inklusion und Zugänglichkeit für Menschen mit Behinderung und darüber hinaus für alle anderen Besucherinnen und Besucher auch, denn alle profitieren von inklusiven Angeboten, die Bildung in Museen näher an die Zielgruppen rücken und sie verständlicher und anschaulicher machen.
[1] Siehe http://blindeundkunst.de.
[2] Siehe www.pinabausch.org/de/projekte/the-nelken-line.
[3] Siehe www.kunsthauskat18.de/projekte/pina-bausch.
[4] Siehe www.blindeundkunst.de /2017/01/06/blinde-und-kunst-und-seine-freunde-tanzt-die-nelkenreihe; https://vimeo.com/channels/nelkenline/215804720; www.youtube.com/channel/UC77Faboy-bEjsQnksPf9iSQ.
[5] Siehe Online-Plattform http://concert.arte.tv/de/Nelkenline.
[6] Siehe www.bundeskunsthalle.de/vermittlung/inklusion/tanzworkshop.html.
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