Aufgabe von Politik ist es, sicherzustellen, dass Menschen mit Behinderung am kulturellen Leben sowie an Erholung, Sport und Freizeit gleichberechtigt teilhaben können. So bestimmt es Artikel 30 der UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK), der Deutschland 2009 beigetreten ist.
Seither sind einige Aktionspläne geschrieben worden. Mit „NRW inklusiv: Eine Gesellschaft für alle“ (2012) beschreibt die nordrhein-westfälische Landesregierung die Maßnahmen, mit denen sie den von der UN-BRK vorgenommenen Perspektivwechsel – von der Integration zur Inklusion – in konkretes politisches Handeln einleiten will. Wie im Nationalen Aktionsplan der Bundesregierung „Unser Weg in eine inklusive Gesellschaft“ (2012) gibt es viele wichtige und hilfreiche Handreichungen. Die neue Kultur des inklusiven Denkens und Handelns soll auch bei der Förderung von Kulturprojekten beachtet werden, insbesondere in den Bereichen Zugänglichkeit und Barrierefreiheit.
Das nordrhein-westfälische Kulturministerium geht in dieser Legislaturperiode einen konkreten Schritt weiter. Das Thema Inklusion hat nun einen festen Platz in einem Zuständigkeitsbereich, der mit den Aufgabenfeldern interkulturelle Kulturarbeit, Flüchtlinge und demografischer Wandel (Kultur und Alter) bereits dem Oberbegriff Teilhabe verpflichtet ist. Einen inhaltlich passenden Ansatzpunkt bietet uns hier das Themenfeld „Demografischer Wandel“, den wir mit kubia (Kompetenzzentrum für Kultur und Bildung im Alter, www.ibk-kubia.de) am Institut für Bildung und Kultur e. V. in Remscheid schon jetzt mit Projektmitteln unterstützen. Seit 2016 stellen wir kubia zusätzliche Mittel für „Kultur und Inklusion“ zur Verfügung.
Auch das Alter, insbesondere das hohe Alter, hält vielfältige inklusive Herausforderungen bereit: Hören, sehen, verstehen, bewegen – alles, was diese Fähigkeiten einschränkt, kann die Möglichkeiten der Teilhabe am gesellschaftlichen und kulturellen Leben z. T. erheblich beeinträchtigen. Fast zwangsläufig hat das negative Auswirkungen auf die Lebensqualität.
Ziel unserer inklusiven Kulturpolitik ist es, sowohl die passive als auch die aktive Teilhabe zu fördern. So brauchen wir noch mehr Sensibilität für die Hindernisse, denen Menschen mit Einschränkungen beim Besuch von Museen oder Theater begegnen: Ausreichende Beleuchtung und gut lesbare, serifenfreie Beschriftung, leichte Sprache, Audiodeskription und Gebärdendolmetscherinnen und -dolmetscher, kontrastreiche Handläufe und unterfahrbare Vitrinen – so lautet die Liste der Stichworte, die sich beliebig verlängern ließe. Hier machen sich immer mehr Kulturinstitutionen auf den Weg, aber es sollten mehr werden.
Nicht immer sind für effektive Maßnahmen große Investitionen nötig – Fachleute wissen, dass die „Haltung als Willenshabitus“ der Schlüssel zu gelungener Inklusion ist. Die Kultur, so sagte es die Behindertenbeauftragte der Bundesregierung, Verena Bentele, sei prädestiniert für einen nötigen Bewusstseinswandel.
Doch wir wollen mehr: Teilhabe bedeutet auch aktive Teilhabe, d. h. wir wollen dazu beitragen, dass Menschen mit Behinderung ihr künstlerisches Potenzial entfalten können. Dazu müssen nicht nur Förderverfahren und kreative Räume geöffnet werden, viel weitreichender ist die Aufgabe, die gesellschaftliche Akzeptanz dafür zu erhöhen. Dies kann z. B. geschehen, indem Künstlerinnen und Künstler mit Behinderung in der Öffentlichkeit auftreten; es ihnen ermöglicht wird, sich als kompetente Handelnde zu erleben. Kunst und Kultur bieten die experimentellen Räume, mit denen wir unsere Perspektiven verändern – auch auf das, was als „Normalität“ gilt.
Die Aufgaben, die kubia hier übernehmen wird, sind vielfältig:
- Vernetzung wichtiger Akteure auf Landesebene
- Fachdiskurse und Wissenstransfer organisieren
- Zusammenarbeit mit wichtigen Initiativen, wie mit dem von der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien initiierten Netzwerk Kultur und Inklusion
- Qualifizierungsangebote für Fachkräfte
Zwei Bemerkungen zum Schluss: Inklusive Kulturarbeit ist keine Sozialarbeit mit künstlerischen Mitteln. Sie erhält – neben den Aufwendungen für die oben beschriebenen wichtigen Koordinierungsaufgaben – auch keinen eigenen Fördertopf. Das ist richtig, denn selbstverständlich sind die spartenspezifischen Förderprogramme des Kulturministeriums offen für alle Künstlerinnen und Künstler. Das ist Inklusion, das ist Teilhabe.
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