Die Potenziale der Werkstätten für behinderte Menschen (WfbM) wurden anhand dreier Praxisbeispiele diskutiert, bei denen unterschiedliche strukturelle Voraussetzungen und Ziele gegenübergestellt werden konnten.
Übergeordnete Fragestellungen:
- Welche strukturellen Problemfelder gibt es?
- Wie müssen bisherige Teilhabeinstrumente modifiziert werden?
- Potenziale der WfbM in künstlerischen Bereichen
- Professionelle Qualifizierung von Werkstattbeschäftigten für künstlerische Berufe
- Flexibilisierung von Arbeitsplätzen/Arbeitszeiten und Gestaltung von Übergängen als Beschäftigte im Kulturbetrieb
- Diskussion von Beispielen wie barner 16, Theater RambaZamba, Dortmunder Modell: Musik (DOMO) o. a.
Das Dortmunder Modell (DOMO) ist ein zeitlich begrenztes Modellprojekt, in dem die Arbeit in einer WfbM mit einem künstlerischen Praktikum gekoppelt wurde. Es soll dabei eine „Sprungbrettfunktion“ übernehmen: Künstlerisch interessierte Teilnehmende lernen künstlerisches Arbeiten kennen, Berufsfelder im kreativen Bereich sollen daraus entstehen; die Absprachen mit den regulären Werkstattbereichen werden als unkompliziert beschrieben. Das Modell ist gut geeignet für den Start, stellt aber keine dauerhafte Lösung dar. Das Theater RambaZamba dagegen existiert bereits seit der deutschen Wiedervereinigung und stellt inzwischen 37 Vollarbeitsplätze (Stand 2015) zur Verfügung. Die Ausbildung erfolgt über ein Konstrukt im Kontext Berufsbildungsbereich (BBB). In einer Testphase wird die Eignung für ein Ensemble geprüft. barner 16 folgt nicht den regulären Richtlinien einer WfbM, sondern arbeitet mit verändertem Personalschlüssel.
In allen Beispielen wird einerseits deutlich, dass ein erhöhter Personalschlüssel notwendig ist, um künstlerische Arbeit zu realisieren. Andererseits ist Kulturarbeit eng an Querfinanzierungen geknüpft und bedarf Subventionierungen. Investitionen über das System WfbM sind aber prinzipiell möglich.
WfbM haben zwei Ziele, die in diesem Kontext wichtig sind: 1. Vermittlung auf den ersten Arbeitsmarkt und 2. persönlichkeitsfördernde Maßnahmen.
Diese Ziele rekurrieren auf die UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK) (Artikel 30, 2): „Die Vertragsstaaten treffen geeignete Maßnahmen, um Menschen mit Behinderung die Möglichkeit zu geben, ihr kreatives, künstlerisches und intellektuelles Potenzial zu entfalten und zu nutzen, nicht nur für sich selbst, sondern auch zur Bereicherung der Gesellschaft.“
Arbeitsergebnisse und Vorschläge
- Kulturarbeit analog zum Engagement im Bereich Sport: Einforderung des Rechts auf Kulturelle Bildung für alle Menschen
- Koordinationsbüro auf Bundesebene einrichten (Neugründung oder Andocken), um Persönliches Budget für individualisierte Arbeitsplätze flächendeckend anzubieten
- Finanzielle und organisatorische Voraussetzungen schaffen für:
- Kulturforschung im Kontext Inklusion
- regionale dezentrale Arbeitsfelder
- Ausbildung von „Coaches“, die vor Ort dezentral begleiten und organisieren
- Flexibilisierte, individualisierte Arbeitsplätze schaffen
- Bewusstseinsbildung
- Nachhaltigkeit (Strukturen nicht immer nur für Modellprojekte, die nicht mehr weiterfinanziert werden, sondern dauerhaft!)
Strukturen und Entwicklungen im System WfbM
- Die allgemeine Kritik an WfbM in Deutschland (seit Ratifizierung der UN-BRK) führt zur Öffnung des Systems: Vollzeitarbeitsplätze im künstlerischen Bereich wurden bereits vereinzelt eingerichtet.
- Arbeitszeiten im Kulturbereich weichen von üblicher WfbM-Arbeitsstruktur teilweise stark ab – vor allem in den Bereichen Musik und darstellende Kunst, aber auch in der bildenden Kunst: Aufführungen, Proben, Vernissagen usw.
- Rechtliche Grauzonen (z. B. Versicherungsschutz).
- WfbM müssen alle Leistungen erbringen (auch Fahrdienst, Betriebsarzt usw.).
- Kooperationen mit allgemeinen Ausbildungsbetrieben gestalten sich bislang noch schwierig; alternativ könnte der BBB für Menschen ohne Behinderung geöffnet werden und inklusionsorientierte Qualifizierungen schaffen.
- Expertise innerhalb der WfbM auch für Menschen ohne Behinderung nutzen → Qualifizierungen.
- Verweis auf UN-BRK Art. 8 (Bewusstseinsbildung/Persönlichkeitsentwicklung).
- Vorteil WfbM: Sozialversicherungspflichtige Beschäftigung, Rentenanspruch.
- Bildungspläne werden in vielen Bereichen an „normale“ Berufsbilder angepasst; auch im künstlerischen Bereich muss dieses Vorgehen verfolgt werden.
- Modellprojekte müssen weiterentwickelt werden und in nachhaltige Finanzierungs- und Planungsstrukturen überführt werden.
- Problem der Förderung: Nur Projektbezogen und nicht nachhaltig → Leuchtturmruinen.
- Mögliche Vision: Gründung einer Stiftung und eines bundesweit agierenden Instituts.
- Lobbyarbeit.
- Quer- und Kombifinanzierungen sind im Kulturbetrieb üblich; Einbeziehen des zweiten Arbeitsmarkts, um Personalschlüssel zu erhöhen.
- Normalisierungsprinzip: Kein Theater kommt ohne Subventionen aus.
- Anteil der Menschen mit künstlerischer Begabung ist gering, daher sind individualisierte Organisations- und Finanzierungskonzepte (Persönliches Budget) günstig.
- Aufklärungsarbeit notwendig: vor allem Bundesagentur für Arbeit (BA).
- Verstetigung Kultureller Bildung im WfbM-Kontext.
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