Der Kontakt der tanzbar_bremen e. V. (nachfolgend tanzbar_bremen) zum Integrationsamt Bremen entstand durch die Suche des Bremer Landesbehindertenbeauftragten, Dr. Joachim Steinbrück, nach Lösungen für eine personell nicht mehr zu bewältigende Resonanz auf die inklusiven Angebote der tanzbar_bremen.
Grundüberlegungen zur Entstehung
Der große Zuspruch an inklusiven Tanzprojekten, die steigende Nachfrage an inklusiven Konzepten und Weiterbildungsmodulen im Umgang mit jungen Menschen mit und ohne Behinderung war Anlass, die Möglichkeiten einer neuen Ausrichtung der tanzbar_bremen zu eruieren.
Bis zuletzt konnte die Arbeit der tanzbar_bremen nur eingeschränkt auf der Basis von Projektförderung realisiert werden, da es an erforderlichen Mitteln und Ressourcen fehlte. Der ehrenamtliche Einsatz stand zunehmend in einem Missverhältnis zur steigenden Nachfrage und zu den sich ergebenden Möglichkeiten eines Angebots inklusiver Tanzangebote in Bremen und Bremerhaven.
Diese Neuausrichtung, das Modellprojekt KompeTanz, wurde gemeinsam von der tanzbar_bremen und dem Integrationsamt entwickelt. Am Anfang stand die Idee eines Integrationsprojekts. Aufgrund der in der Startphase noch fehlenden Wirtschaftlichkeit wurde jedoch die Lösung als Modellvorhaben entwickelt, da sich dieses als das zunächst passende Instrument erwies. Die Voraussetzungen sind vollends erfüllt.
Es handelt sich um
- einen neuen Ansatz, mittels des Mediums Tanz jungen Menschen mit Behinderung ein anderes Selbstwerterleben zu vermitteln, das als Persönlichkeitsstärkung und durch Erwerb sozialer Kompetenzen die Voraussetzungen schafft, um in kritischen Situationen, wie Prüfungen, Bewerbungsverfahren etc., bestehen zu können, sodass
- ein sozialversicherungspflichtiger Arbeitsplatz erreicht werden kann, der ohne diese Vermittlung der Kenntnisse nicht erreicht werden könnte.
Dieser Ansatz wurde von der tanzbar_bremen und dem Integrationsamt auf das Gebiet der Teilhabe Menschen mit Schwerbehinderung am Arbeitsleben hin entwickelt. Nicht das rein inklusive, projektstrukturierte Tanzen steht im Vordergrund, sondern die Teilhabe am Arbeitsleben mittels dieses Ansatzes.
KompeTanz setzt durch seinen innovativen Ansatz in zwei Bereichen an. Zum einen im künstlerischen Bereich, in dem die Inklusion mittels des Mediums Kunst weitergelebt und implementiert wird. Zum anderen soll ein Bildungsbereich im Verein etabliert werden.
Im Bildungsbereich besteht die Möglichkeit, bis zu fünf Jugendliche zu betreuen. Es handelt sich dabei um Schulabgängerinnen und Schulabgänger aus den Förderschulen, aus Schulen für Wahrnehmung und Entwicklung sowie um Lernende mit ausgewiesenem Förderbedarf, die inklusiv beschult wurden.
Die Jugendlichen haben hierdurch die Möglichkeit, sich am Arbeitsmarkt in verschiedenen Bereichen auszutesten und Kompetenzen im fachlichen und sozialen Bereich zu erwerben. Damit ist das Projekt eine Alternative zur Maßnahme „Unterstütze Beschäftigung“ (UB), die über das Persönliche Budget finanziert wird. Dabei hat die Werkstattvermeidung, das erklärte Ziel des Vereins als auch der Agentur für Arbeit, Priorität.
KompeTanz entwickelt dadurch langfristige Arbeitsplätze für Menschen mit Behinderung im Bereich der künstlerischen Arbeit, die diesen neuen Bedarfen gerecht werden. Dies entspricht als Maßnahme der Zielrichtung der Verpflichtung aus Artikel 27 der UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK), der sich das Land Bremen mit weiteren Maßnahmen zur Werkstattvermeidung im Handlungsfeld 4 des Aktionsplans verpflichten wird. Menschen mit Behinderung haben nach Art. 27 UN-BRK das Recht, ihren Lebensunterhalt durch Arbeit in einem offenen, integrativen und zugänglichen Arbeitsmarkt zu verdienen.
Das Team des Vereins tanzbar_bremen wird als weiteren Teil des Projekts Fortbildungsmodule und Präsentationsformate anbieten und entwickeln, die in Tandem-Konstellationen durchgeführt werden und an Bildungsinstitutionen, Schulen, Theatern, Hochschulen, Erziehungs- und Lehrerausbildungsanstalten Anwendung finden.
Bei der konkreten Durchführung der Projekte finden die Teilnehmenden ihren individuellen Weg zu Eigenverantwortung, Integrationsfähigkeit, Kreativität, Stressresistenz, Frustrationstoleranz, Selbstdisziplin und Selbstbeherrschung, Neugierde, Konfliktfähigkeit und zu vielen anderen Soft Skills in der Kombination aus der Zusammenarbeit im geschützten Raum und öffentlichen Auftritten. Weiterhin vermittelt diese Arbeit Alternativen zum kreativen Umgang mit heterogenen Gruppen. Dieses Ziel wird insbesondere durch den Einsatz von Tandem-Konstellationen erreicht.
Projektträger
Träger des Modellprojekts KompeTanz ist der Verein tanzbar_bremen. Der Verein besteht aus acht Mitgliedernundarbeitet seit 2003 als Kollektiv aus Tänzern, Choreografinnen, Tanz- und Sozialpädagogen sowie Kulturschaffenden mit und ohne Beeinträchtigung im Bereich zeitgenössischer Tanzkunst.
Ziel des seit 2009 gemeinnützig geführten Vereins ist es, zeitgenössischen Tanz durch Akteure mit und ohne Behinderung zu vermitteln, einer breiten Öffentlichkeit zu präsentieren und weiterzuentwickeln. Darüber hinaus engagiert sich tanzbar_bremen für inklusive, bühnenorientierte Trainings- und Weiterbildungsangebotefür Menschen mit Behinderung in der darstellenden Kunst.
Dabei dienen z. B. Workshops mit internationalen Dozentinnen und Dozenten (mit und ohne Behinderung) der Vertiefung von verschiedenen Schwerpunkten.
Rechtsgrundlagen und Finanzierung
Die Förderung des Modellprojekts durch das Integrationsamt Bremen erfolgt auf der Grundlage des § 14 (1) Schwerbehindertenausgleichsabgabeverordnung. Rechtsgrundlage für die Förderung stellt die Bundesagentur für Arbeit in § 17 SGB IX.
Die Agentur für Arbeit Bremen-Bremerhaven wird sich an den Personalkosten des Trägers (z. T. unmittelbar über Eingliederungszuschüsse i. S. v. § 90 SGB III, z. T. über eine Erstattung des Aufwands, der bei der Qualifizierung der Praktikantinnen und Praktikanten geleistet wird) beteiligen. Die Praktikantinnen und Praktikanten erhalten ihre Leistungen direkt von der Agentur für Arbeit (Ausbildungsgeld) und verursachen daher keine direkten Kosten im Projekt.
Darüber hinaus erhält der Verein tanzbar_bremen die Erstattung der Agentur für Arbeit für die Bereitstellung der Praktikumsstellen im Rahmen der unterstützten Beschäftigung gemäß § 38a SGB IX. Weiterhin kann das Modellprojekt KompeTanz auch Anträge an Aktion Mensch, Stiftungen und Zuschussgeber stellen. Diese Anträge sollen dazu dienen, für ergänzende Projekt- und Produktionskosten Zuschüsse zu erhalten.
Somit ergeben sich in der Projektlaufzeit folgende Finanzierungsbeiträge:
Integrationsamt Bremen | ca. 580.000 € |
Agentur für Arbeit Bremen/Bremerhaven | ca. 210.000 € |
Eigenanteil | ca. 100.000 € |
Gesamt | ca. 890.000 € |
Perspektive nach Ablauf der Förderung
Nach Ablauf des dreijährigen Zeitraums als Modellprojekt im März 2018 soll KompeTanz als Integrationsprojekt im Sinne von § 132 SGB IX weitergeführt werden. Die endgültige Entscheidung hierüber hängt u. a. vom Ergebnis einer (erneuten) Wirtschaftlichkeitsüberprüfung ab, die Voraussetzung für die Einrichtung eines Integrationsprojekts ist. Ein wesentlicher Schwerpunkt innerhalb der dreijährigen Projektphase wird auf der Weiterentwicklung des Geschäftsmodells von einem Kreativverein in ein Kreativunternehmen liegen. Die finanziellen Mittel sollen u. a. dafür genutzt werden, das Angebotsportfolio zu erweitern und eine (noch) stärkere Verankerung auf dem Markt zu erreichen. Mit der geplanten Fortführung des Modellprojekts KompeTanz als kreativwirtschaftliches Unternehmen und Integrationsprojekt wird eine für Projekte nicht übliche Nachhaltigkeit geschaffen.