Die Schauspielerinnen und Schauspieler von RambaZamba gehören zu den am besten ausgebildeten in Deutschland. Das hört man immer wieder, sowohl von Regisseurinnen und Regisseuren aus Film und Fernsehen als auch von Theaterfachleuten.
„Wer eine Aufführung von RambaZamba erlebt hat, in ihrer lustvollen wie lustigen Hemmungs- und Maßlosigkeit, ihrer unentrinnbaren Unmittelbarkeit, spürt in jedem Augenblick, dass die Spieler Profis sind.“ (B.Z. 2010)
Der Start bei RambaZamba
Wir als Theaterfachleute haben von Anfang an das Theater um die Schauspielerinnen und Schauspieler herum erfunden und gebaut. Das Ziel war, sie mit ihren speziellen Fähigkeiten zu entdecken, zu fordern und zu entwickeln. Von Anfang an war von Professionalität die Rede, wobei wir den genauen Weg dorthin noch nicht wussten.
Zu Beginn probten wir Stücke, die wir mit den Schauspielerinnen und Schauspielern entwickelt hatten. (Das ging natürlich nicht, ohne die Beteiligten gleichzeitig selbst zu entwickeln.) Immer war klar, dass es kein Mitleidstheater, kein gut gemeintes Spiel auf der Bühne sein durfte. Die Inszenierungen sollten im Theatervergleich mithalten können und die Ausbildung der Schauspielerinnen und Schauspieler selbst waren absurderweise der Weg dahin.
Wie lernten sie? Sie lernten immer über die konkrete Szene, die konkrete Fantasie und Situation. Abstrakte Lernvorgänge waren am Anfang nicht möglich. Aber sobald man sagen konnte „In diesem Wald ist es so kalt und gefährlich, da musst du leise schleichen … Diese Schüssel enthält so viel Gold, da musst du sehr vorsichtig gehen … Der Mensch ist so weit weg, er kann dich nicht hören …“, setzte die Fantasie ein und auch der Wille, das Spielen durch Üben und Wiederholen zu verbessern. Das Ziel war, die Figur, den Typen, die Rolle professionell zu adaptieren, die Lust an der Verwandlung zu fördern, das Abenteuer zu erleben.
Jacques Lecoq beschreibt einen Teil seiner Ausbildung als „eine Reise im Inneren“. Diese führt zur Begegnung mit dem „verwesentlichten Leben“ zu dem, was er „den gemeinsamen poetischen Grund“ nennt:
Darunter ist eine abstrakte Dimension aus Räumen, Licht, Farben, Materialien und Klängen zu verstehen, die jeder in sich trägt. Diese Elemente unserer verschiedenen Erfahrungen, unserer Empfindungen und all dessen, was wir gesehen, angefasst, geschmeckt haben, sind in uns gespeichert. Das alles bleibt in unserem Körper und bildet den gemeinsamen Grund, aus dem auch der Antrieb und die Lust, etwas zu schaffen, hervorgehen werden. Die pädagogische Arbeit muss in diesen gemeinsamen poetischen Grund vordringen, um über das Leben, wie es ist oder erscheint, hinaus zu gelangen. Nur so werden die Schüler zu einer persönlichen Kreativität finden.
(Lecoq 2012 zitiert nach Theater Salpuri o. J.)
Ziel
Das Ziel einer praxisbegleitenden Ausbildung für Schauspielerinnen und Schauspieler mit Einschränkung ist es, eine ihrem Talent entsprechende Aus- und Weiterbildung anzubieten, die der besonderen Verfasstheit der Teilnehmenden Rechnung trägt.
Die üblichen Voraussetzungen einer Schauspielausbildung gelten nur sehr eingeschränkt. Selbst Lesen und Schreiben sind keine Voraussetzungen. Die Teilnehmenden sollen während ihrer Spielpraxis lernen, ihre Ausdrucksmittel zu verbessern.
Sie sollen ihr Wissen erweitern, ihren Körper besser beherrschen, ihre Stimme ausbilden und schauspielerische Techniken – soweit möglich – erlernen. Sie sollen ihre Werkzeuge finden, die ihrem speziellen Talent zum Ausdruck verhelfen. Nach spätestens drei bis vier Jahren sollen sie einen professionellen Umgang mit Spiel, Rollen, Proben, Bühne, Kostüm, Maske und Aufführungspraxis haben.
Für die RambaZamba-Schauspielerinnen und -Schauspieler ist diese Grundausbildung eine bewusste Wiederholung und Vertiefung dessen, was sie bereits erlebt oder praktiziert, aber nicht bewusst durchgeführt und aufgenommen haben oder was wiederholt werden muss. Daran können auch Externe teilnehmen, ohne dass sie Anspruch auf Rollen im RambaZamba-Theater haben. Je nach Permanenz der Teilnahme, gibt es nach drei, vier oder fünf Jahren ein Zertifikat.
Die Weiterbildung ist damit noch nicht abgeschlossen. Das Zertifikat besagt, dass ein bestimmter Grundunterricht stattgefunden hat. Der Unterricht läuft dann weiter und führt zu einer dauerhaften Verbesserung bzw. Festigung des erreichten Niveaus.
Ziel ist es, Schauspielerinnen und Schauspieler auszubilden, die professionell mit den Elementen des Theaterspiels umgehen können, die offen sind für verschiedene Regisseurinnen und Regisseure sowie Spielweisen und sich im hohen Maße selbst gefunden haben. Nicht jede oder jeder muss eine Hauptdarstellerin oder ein Hauptdarsteller werden.
Voraussetzungen
Was ist notwendig, um als Mensch mit einer Behinderung Schauspielerin oder Schauspieler werden/sein zu können?
- Fantasie und vor allem ein unbedingter Spielwille sind Grundvoraussetzungen. Der Wunsch, sich auszudrücken, und zwar künstlerisch, spielerisch muss so stark sein, dass jeder Weg dahin recht ist. So ist das Anarchische und Ungebändigte durchaus erwünscht, weil sich die Spielerinnen und Spieler auflehnen und die Dinge befragen. Das entwickelt eine besondere Fantasie und Leidenschaft und ermöglicht eine sehr persönliche Aneignung. Diese Seite der Persönlichkeit ist wichtig, denn der Beruf diszipliniert dann ohnehin schon sehr.
- Er oder sie muss bereit sein, das gesamte Leben dem Spielen zu widmen und die unregelmäßigen und sporadischen Termine eines Theaterbetriebs zu ertragen, was z. B. für viele Menschen mit Downsyndrom schwer ist, da sie ihre festen Abläufe lieben.
- Es ist notwendig, in einer Gruppe arbeiten zu können und zu wollen und zu akzeptieren, nicht stets die Hauptperson zu sein.
- Es ist notwendig, eine Regisseurin oder einen Regisseur zu akzeptieren und sich von ihr oder ihm führen zu lassen.
- Es ist notwendig, diszipliniert lernen und hart arbeiten zu wollen und zu können. Das schaffen die Bewerberinnen und Bewerber nur, wenn sie den anfangs erwähnten Spieltrieb stark genug erleben.
- Es ist ebenso notwendig, vielseitig interessiert zu sein, vor allem an anderen Menschen und ihren Motiven.
- Dazu muss es Lust geben, sich zu verwandeln, verschiedene Rollen zu spielen und sich mit reichlich Fantasie in unterschiedliche Situationen zu begeben und darauf zu reagieren.
- Voraussetzung ist auch, dass Bewerberinnen und Bewerber in der Lage sind, Erarbeitetes zu wiederholen.
Ausbildungsfelder
Körpertraining
- Körperwahrnehmung
- Kondition
- Krafttraining
- Koordination
- Dehnungen
- Körper im Raum
- Kooperation mit Partnerinnen und Partnern
- Kontaktimprovisation
- Tai Chi
- Yoga
Entspannung
- Aktive Entspannung nach Jacobs
- Feldenkrais
- Acht Brokate
Tanz
- Gebärdensprache als kommunikatives und poetisches Material
- Improvisation körperlich und im Spiel
- Fantasieschulung
- Schulung von Beobachtungsfähigkeiten
- Commedia dell’arte
- Stummfilm
- Spielen ohne Sprache
- Stimmtraining, Alexandertechnik
- Sprachentwicklung
Methoden
- Eine Schauspielausbildung für Menschen mit geistiger Behinderung kann durchaus gemischt stattfinden, also gemeinsam mit Menschen mit anderer Behinderung. Aber sie muss sich an Methoden orientieren, die Menschen mit speziellen kognitiven Fähigkeiten anspricht und erreicht. Daran können auch andere partizipieren. Umgekehrt geht der Weg meistens nicht, bisher gar nicht.
- Der Zugang zu den Teilnehmern ist nicht in erster Linie über Worte, Konzeptionen und Theorien gegeben.
- Die Methode muss sich an den Fähigkeiten der einzelnen Schauspielerinnen und Schauspieler orientieren.
- Dazu gehört neben den oben erwähnten Voraussetzungen vor allem Fantasie. Hier wird die Fantasie der Teilnehmenden erreicht. Eigenwillige und gute Ergebnisse stehen am Ende.
Literatur
- B.Z. (2010): RambaZamba, hipp, hipp, hurra! https://www.bz-berlin.de/artikel-archiv/rambazamba-hipp-hipp-hurra [Zugriff: 29.01.2020].
- Lecoq, Jacques (2012): Der poetische Körper. 3., korr. u. erw. Aufl. Berlin: Alexander.
- Theater Salpuri (o. J.): Jorinde & Joringel. http://www.theater-salpuri.de/de/schauspiel/jorinde-joringel [Zugriff: 09.04.2020].
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