Seit fast zehn Jahren bereichert das Bundesprogramm „Kultur macht stark. Bündnisse für Bildung“ die Förderlandschaft Kultureller Bildung. Mit seinem Ziel, „bildungsbenachteiligte Kinder und Jugendliche in ihrer Entwicklung [zu] unterstützen“ (BMBF 2012) soll es einen Beitrag für mehr Bildungsgerechtigkeit und kulturelle Teilhabe leisten.
Es nutzt dafür die Mittel, die einem Bundesprogramm zur Verfügung stehen, das weder im Bereich Bildung noch im Bereich Kultur in die Zuständigkeit von Ländern und Kommunen eingreifen darf: Gefördert werden daher zusätzliche Projekte und keine dauerhaften Strukturen. Dennoch zielt „Kultur macht stark“ auf Breiten- und Flächenwirkung und kann bei den beteiligten Trägern auf lokaler Ebene wirksame Impulse setzen. Das geschieht beispielsweise, indem sie neue Kooperationspartner gewinnen oder sie sich kritisch mit Zugängen und Barrieren auseinandersetzen. Das sind wichtige Grundlagen, auch unter der Perspektive „Inklusion“ im Programm.
Um „Bildungsbenachteiligung“ zu fassen, wird in den beiden bisherigen Förderrichtlinien (2013–2017 und 2018–2022) – auf Grundlage der Bildungsberichte Deutschland – auf die ökonomische, kulturelle und/oder soziale Risikolage der Eltern verwiesen. Das heißt, es geht vor allem um jene jungen Menschen, die in einem Elternhaus aufwachsen, das von Armut, geringer Qualifizierung und/oder Arbeitslosigkeit betroffen ist. Weitere Gründe für strukturelle Benachteiligungen und Diskriminierungen, z. B. die Hautfarbe oder eine Behinderung, werden im Programm bisher nur „ergänzend“ berücksichtigt, was ein umfassendes inklusives Konzept des Programms verhindert.
Begründungen, warum Projekte mit Kindern und Jugendlichen mit Behinderung gefördert werden, waren und sind bis dato mühsam. Dennoch engagieren sich Programmpartner auf Bundesebene und Träger in den lokalen Bündnissen vor Ort dafür, im Rahmen der aktuellen Förderbedingungen Wege zu finden. Ein Blick in die Umsetzung ist insofern ermutigend, als dass z. B. Musikprojekte mit blinden Jugendlichen, Kreativprojekte mit Kindern mit geistiger Behinderung oder Zirkusprojekte mit körperlich eingeschränkten jungen Menschen realisiert wurden und werden. Die Lebenshilfe, Förderschulen oder Wohlfahrtsträger wurden hier als Partnerinnen und Partner, Expertinnen und Experten und Orte in die Bündnisse eingebunden.
Innerhalb ihres eigenen Förderprogramms „Künste öffnen Welten“ als Teil von „Kultur macht stark“ erfasst die Bundesvereinigung Kulturelle Kinder- und Jugendbildung (BKJ) in ihrer Evaluation, inwieweit sich Inklusion und Diversität in den Gruppenkonstellationen spiegeln. Auch hier wird das große Potenzial des Programms sichtbar: In der ersten Förderphase (2013–2017) gab es in jedem fünften Projekt „Teilnehmer*innen mit … Erfahrungen von Diskriminierungen und Stigmatisierungen, wie körperliche und/oder geistige Be_Hinderung“, in der aktuellen Förderphase ist dieser Anteil auf 30 Prozent gestiegen. Fördertechnisch wurde dies auch möglich, weil mit entsprechender Begründung die Förderkorridore verlassen werden oder zusätzliche Ausgaben anerkannt werden konnten.
Doch der entscheidende Schritt wurde nun mit der neuen Förderrichtlinie getan, denn das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) hat die Forderung der bisherigen Programmpartner und der Zivilgesellschaft aufgegriffen und das Programm inklusiver ausgerichtet: „Kinder und Jugendliche mit Behinderung gehören ebenfalls zur Zielgruppe von lokalen Projekten in ‚Kultur macht stark‘.“ (BMBF 2021) Damit ist ein klarer Auftrag formuliert: Einerseits an die (neuen) Programmpartner, hier konzeptionell und strukturell Bedingungen zu schaffen, dass junge Menschen mit Behinderung kulturelle Bildungsangebote gestalten können und dabei auch von Fachkräften mit Behinderung begleitet werden. Das sollte Bewegung in das Spektrum der Programmpartner bringen. Wie in der Förderrichtlinie richtig erkannt, geht es dabei um diversitätssensible und empowerment-orientierte Ansätze. Und idealerweise auch um die Begegnung von Kindern und Jugendlichen mit unterschiedlichen Voraussetzungen. Dieses Ziel braucht aber auch fördertechnische Flexibilität, weswegen sich der Auftrag andererseits an das BMBF und den administrierenden Projektträger richtet, beispielsweise Assistenzleistungen, bessere Betreuungsschlüssel, Sachmittel für Barriereabbau oder umfangreichere Fahrtkosten als förderfähig anzuerkennen.
Literatur
- BMBF (Bundesministerium für Bildung und Forschung) (2012): Kultur macht stark. Bündnisse für Bildung. Richtlinie zur Förderung von außerschulischen Maßnahmen, insbesondere der kulturellen Bildung, für Kinder und Jugendliche im Rahmen von Bündnissen für Bildung 2013–2017, 10. Mai 2012. http://www.kulturmachtstark-sh.de/fileadmin/download/Ausschreibungen/20161223_Vorlage_Textfassung_FoeRiLI_KMS_II.pdf (letzter Zugriff: 30.11.2021).
- BMBF (Bundesministerium für Bildung und Forschung) (2021): Richtlinie zur Förderung von außerschulischen Projekten, insbesondere der kulturellen Bildung, für Kinder und Jugendliche im Rahmen von Bündnissen für Bildung 2023–2027, 22. Juli 2021 https://www.buendnisse-fuer-bildung.de/de/foerderrichtlinie-2023-2027-2025.html (letzter Zugriff: 30.11.2021).